Warum Masken?

Autoren: Thomas Czypionka, Thomas König

Es ist eine der bemerkenswerten (und auffälligen) Verhaltensänderungen in unserem Alltag, die in den letzten Wochen vollzogen wurde: wir tragen Masken. Diese Entscheidung ist richtig und Teil des kollektiven Lernens und Anpassens, mit dem wir die Herausforderungen der Pandemie bewältigen können.


Als die Bundesregierung dies am Montag, den 30. März für den Aufenthalt in Lebensmittelläden vorgeschrieben hat (Pressekonferenz zum Nachsehen), war die Reaktion darauf zumindest teilweise noch Verwunderung. Hatten sich die Behörden nicht noch wenige Wochen davor explizit gegen die Verwendung von Masken ausgesprochen? War diese neue Regelung Anzeichen von Inkonsistenz, politischem Irrlichtern, womöglich Panik? Wir argumentieren, dass es genau umgekehrt ist: die Vorschrift ist Ausdruck eines erfolgreichen kollektiven Lernens.

Wie kürzlich im Fachjournal BMJ festgehalten, ist die empirische Evidenz über die Wirksamkeit von Masken bislang nicht ausreichend. Es mag daher problematisch erscheinen, das Tragen von Masken nunmehr doch zu empfehlen bzw. sogar vorzuschreiben. Im Lichte der Entwicklung der Pandemie allerdings lässt das so genannte Vorsorgeprinzip die Maßnahme dennoch als sinnvoll erscheinen, so wird in dem (von einem von uns mitverfassten) Artikel argumentiert.

Das Vorsorgeprinzip („precautionary principle“) besagt, dass Handlungsweisen zu wählen sind, die Gefahren für die öffentliche Gesundheit trotz unvollständiger Wissensbasis vermeiden können. Das Fehlen von Evidenz über die Wirksamkeit von Masken ist noch kein Beweis, dass diese Wirksamkeit nicht gegeben wäre! Dazu kommen noch weitere Aspekte, die das Einführen der Verwendung von Masken im öffentlichen Leben zum jetzigen Zeitpunkt als sinnvoll erscheinen lassen.

Lernen und adaptieren

Erstens hat sich in den letzten Wochen unser Wissen über das Virus erheblich erweitert. Wir wissen nun, dass es in nicht unerheblichem Ausmaß über Tröpfchen auch jener Größe übertragen werden kann, die in der Luft einige Zeit schweben können. Besonders schwer wiegt aber, dass fast 50% der Ansteckungen durch Menschen erfolgt, die sich noch gar nicht krank fühlen. Außerdem ist die Dunkelziffer der Infizierten vermutlich deutlich höher als die offizielle Zahl registrierter Fälle (ein Umstand, der hier genauer ausgeführt ist). In diesem Lichte ist alles, was helfen kann, die weitere Ausbreitung zumindest zu reduzieren, unbedingt anzuwenden.

Zweitens haben in unserer Gesellschaft mittlerweile alle (oder die meisten) verstanden, was es mit dieser Pandemie auf sich hat und wie tückisch die Eigenschaften des Virus sind. Die Bereitschaft, Masken zu tragen, ist daher deutlich höher als noch vor einem Monat – und, so viel ist zu hoffen, auch die Bereitschaft, sich den korrekten Umgang damit anzueignen. (Also: nicht ins Gesicht zu fahren, dennoch gründlich regelmäßig Hände waschen, Abstand halten, die Maske nur von hinten abzunehmen etc.).

Was wir am Beispiel der Anwendung von Masken beobachten, ist das schnelle Lernen und Adaptieren im Angesicht einer veritablen Krise der öffentlichen Gesundheit und einer Bedrohung für unsere ganze Gesellschaft. Lernen und Anpassen sind wesentlicher Teil des Erfolgsgeheimnisses der Spezies Mensch. Die Einführung von verpflichtendem Atemschutz folgt den neuesten Erkenntnissen der fortlaufenden wissenschaftlichen Untersuchungen zum Coronavirus, und sie kommt zum richtigen Zeitpunkt.

Weiterführende Literatur

Link zum BMJ Artikel von Thomas Czypionka und KollegInnen: „Face masks for the public during the covid-19 crisis“  BMJ 2020; doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m1435 (vom 9.April 2020)