Spotlight: Susanne Forstner

Susanne Forstner arbeitet in der Forschungsgruppe „European Governance and Public Finance“ und arbeitet derzeit unter anderem an einem großen EU-Projekt zur Folgeabschätzung globaler Trends auf das Steuersystem.

Seit wann bist du am IHS und mit welchen Fragestellungen befasst du dich in deiner Arbeit?

Ich bin seit 2016 am IHS und arbeite im Bereich „Public Finance“, also öffentliche Finanzen. Dabei behandle ich vor allem Fragestellungen aus makroökonomischer Perspektive.  Wir arbeiten sehr stark modellbasiert und haben ein umfassendes OLG-Modell für Österreich („TAXLAB“), das besonders  das  Steuer-, Transfer- und Sozialversicherungssystem im Detail abbildet. Mit Hilfe von Simulationen können wir damit zum Beispiel die Auswirkungen von Änderungen in der Einkommensbesteuerung oder von Bevölkerungsalterung auf BIP-Wachstum, Investitionen, Beschäftigung, Löhne und öffentliche Finanzen analysieren.

Wird das Modell auf spezifische Fragestellungen angepasst?

Das Basismodell wurde ab 2004 entwickelt und im Laufe der Zeit einerseits für insgesamt 14 europäische Länder und andererseits für spezifische Fragestellungen angepasst und kalibriert. Es gibt unter anderem eine Multi-Country Version, mit der Verbindungen zwischen europäischen Ländern untersucht werden können, und eine Modellversion mit Migration. Am Beginn von Projekten wird das Modell meist an die spezifische Fragestellung angepasst.

Wo kommt das Modell zum Einsatz?

Wir setzen es einerseits für Politikberatung im Rahmen von Studienaufträgen ein und machen andererseits wissenschaftliche Arbeit damit. Auf Basis von Modellsimulationen haben Thomas Davoine und ich beispielsweise gerade ein Buchkapitel geschrieben.

Wer sind die größten AuftraggeberInnen?

Große AuftraggeberInnen sind zum Beispiel das Finanzministerium, das Sozialministerium oder Interessensvertretungen wie Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer oder Industriellenvereinigung. Für das Sozialministerium arbeiten wir z.B. gerade an einem Projekt, in dem es um die Zukunft der Finanzierung von Pflegeausgaben geht.

Du arbeitest derzeit auch in einem großen EU-Projekt mit, worum geht es dabei?

Dabei handelt es sich um ein Projekt für die Europäische Kommission, bei dem wir mit einigen internationalen Forschungsinstituten zusammenarbeiten. Es geht darum, große globale Trends zu analysieren und herauszuarbeiten, wie sich diese auf das Steuersystem auswirken. Die untersuchten Trends sind Klimawandel, Globalisierung, technologischer Wandel und Digitalisierung, und demographischer Wandel. Das IHS bearbeitet den Bereich des demographischen Wandels, wir sehen uns also einerseits die Auswirkungen von Bevölkerungsalterung und andererseits von Migration auf die Volkswirtschaft und das Steuersystem an.

Wie geht ihr an diese großen Fragestellungen heran?

Das Projekt ist derzeit eher qualitativ angelegt, um die großen Trends abzuschätzen und Szenarien zu entwickeln. Man weiß etwa, dass die Bevölkerungsalterung ein großes Problem für die öffentlichen Finanzen, vor allem für das Pensionssystem, darstellt, weil das relative Arbeitsangebot der Bevölkerung stark zurückgeht. Die Alterung hat außerdem Auswirkungen auf das Sparverhalten oder den Zinssatz. Wir wissen aber auch, dass Immigration diesem Trend entgegenwirken kann, weil ImmigrantInnen meistens jünger sind und direkt in die arbeitende Bevölkerung einsteigen. Gerade für sehr schnell alternde Bevölkerungen wie in den Ländern der Europäischen Union ist Immigration ein Faktor, der den langfristigen Folgen der Bevölkerungsalterung auf Ökonomie und das öffentliche Finanzsystem positiv entgegen wirken kann.

Welche Methoden kommen dabei zum Einsatz?

Im Moment erstellen wir einen umfassenden Literaturüberblick und werden später auch Einsichten aus Modellsimulationen heranziehen. Nicht um konkrete Zahlen zu bekommen, sondern um die entsprechenden Mechanismen zu verstehen. In einem zweiten Teil des Projektes wird Szenario Building - gemeinsam mit einer Soziologin, einem Tax-Law Expert und einem Zukunftsforscher - gemacht.

Kannst du zum Abschluss noch etwas zu deinem persönlichen Werdegang erzählen?

Ich habe zunächst an der Universität Wien VWL studiert und war dann für zwei Jahre als Scholarin am IHS.  Von 2007 bis 2012 war ich in Florenz, am European University Institute, um dort meinen PhD Abschluss in VWL zu machen. Dabei habe ich vor allem zu Arbeitsmarkt und Makroökonomie geforscht und mich damit beschäftigt, wie sich Ungleichheit in der Einkommensverteilung erklären lässt. Im Anschluss habe ich als Postdoc zuerst in Stockholm und dann in Aachen gearbeitet und bin 2016 nach Wien und ans IHS zurückgekehrt.

Welche Aspekte deiner Arbeit schätzt du hier besonders?

Ich schätze, dass man einerseits in der Politikberatung einen direkten Impact hat und mit Leuten spricht, die Entscheidungen umsetzen oder zumindest beeinflussen können, und dass man andererseits auch Freiraum für eigene, rein wissenschaftliche Forschung hat.