Spotlight: Christian Neubauer

Christian Neubauer ist als Politikwissenschafter Teil der Forschungsgruppe European Governance and Public Finance. Er forscht unter anderem zu Public Opinion, Voting Behaviour oder Party Politics.


Welche Forschungsschwerpunkte hast du derzeit am IHS?

Meine Forschungsschwerpunkte liegen auf Public Opinion und Voting Behaviour. Außerdem beschäftige ich mich mit Party Politics. Die beiden ersten Schwerpunkte bearbeite ich auch im Rahmen des Projektes, in dem ich zur Zeit beschäftigt bin.

Welches Projekt ist das?

Das Projekt heißt Lost in Space. Die Frage von der wir dabei getrieben sind lautet: Warum reüssieren in manchen Ländern bei Europawahlen eher extreme Parteien und in anderen Ländern eher Parteien der Mitte? Um das zu untersuchen testen wir in dem Projekt die prominentesten themenzentrierten Wahlforschungsmodelle.

Seit wann läuft Lost in Space?

Seit 2017. Ich bin 2018 dazugekommen, das Projekt läuft jetzt noch bis Ende des Jahres. Bis dahin sind – abgesehen vom abschließenden Projektbericht – auch noch einige einzelne Veröffentlichungen geplant.

Gibt es bereits erste Ergebnisse?

Peripher ja. Themenzentrierte Wahlforschungsmodelle gehen davon aus, dass Wähler jene Parteien wählen, die ihnen auf einer Likert-Skala am nächsten stehen. Also, je kürzer die Distanz zwischen Partei und Wähler, desto eher die Wahlwahrscheinlichkeit für diese Partei. Doch Wähler projizieren ihre eigenen Einstellungen auf die Positionen der Parteien und ziehen präferierte Parteien näher an ihre eigene Position heran, während sie unliebsame Parteien weiter weg verorten. Durch diese Projektionseffekte wird der Einfluss der Distanz zwischen Wähler und Parteien für Wahlforschungsmodelle systematisch überschätzt. Dieses Ergebnis soll auch in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht werden.

Du hast letztes Jahr auch deine Dissertation abgeschlossen, hatte das Thema auch mit deinem jetzigen Projekt zu tun?

Es gab einige Parallelen zum Projekt, war aber unabhängig davon. Die Dissertation hat sich mit einem Henne-Ei Problem beschäftigt. Leitfrage war, ob Wähler fixe Präferenzen haben, die sie dazu nützen, um Parteien zu evaluieren und sich daran anschließend mit einer Partei identifizieren. Oder ist es genau andersherum, dass Wähler zuerst eine Partei gut finden und die Positionen der Partei erlernen und diese Positionen dann als ihre eigenen übernehmen. Kurz: Ändern Wähler ihre Anhängerschaft zu Parteien auf Basis ihrer Präferenzen oder ist es genau andersrum. Meine Hypothese war, dass Anhänger von Parteien mit exponierten, polarisierenden Positionen eher dazu geneigt sind, die Positionen dieser Partei zu übernehmen. Ich konnte diese Hypothese nur sehr bedingt bestätigen, es war aber klar zu sehen, dass in den untersuchten Ländern (Anm.: USA, Großbritannien und Deutschland) Wähler eher die Positionen bevorzugter Parteien übernehmen, statt gemäß eigener Präferenzen Parteien zu evaluieren.

Wie lange hast du an deiner Dissertation gearbeitet?

Von 2013 bis 2019, immer wieder mit Unterbrechungen. Ich hatte damals am IHS die Möglichkeit als Scholar von 2013 bis 2016 an meiner Dissertation zu arbeiten, war danach an der WU, wo ich ebenfalls an einem Forschungsprojekt gearbeitet habe und bin jetzt seit 2018 über das Projekt Lost in Space wieder am IHS.

Weißt du schon wie es danach weitergeht?

Nein, im Moment noch nicht. Durch COVID-19 ist es derzeit nicht so leicht, konkrete Pläne zu verfolgen.

Was interessiert dich persönlich an deinem Forschungsgegenstand?

Mich hat schon als Student immer interessiert, wie Wähler eigentlich zu ihren – teils exponierten – politischen Positionen kommen. Dabei haben mich immer die dahinterliegenden Strukturen, also soziodemographische Faktoren, wie z.B. Religiosität etc. und eben Parteizugehörigkeitsgefühle, beschäftigt. Dieses Interesse habe ich schon in meinen Diplomarbeiten und meiner Dissertation verfolgt.

Möchtest du künftig weiter in diesem Bereich bleiben?

Ich versuche eigentlich immer offen für Neues zu sein. An der WU war im Projekt University as a Shelter beschäftigt. Dort haben wir versucht die Studienanfängerzahlen durch das Wirtschaftswachstum zu erklären. Das war thematisch etwas komplett anderes, ist aber sehr spannend. Insofern kann ich mir akademisch vorstellen in sehr vielen Bereichen tätig zu sein. Interessante Projekte gibt es in vielen Bereichen.

Danke für das Gespräch!