Spotlight: Marcel Fink

Marcel Fink beschäftigt sich in der Forschungsgruppe Arbeitsmarkt und Sozialpolitik mit der inhaltlichen Ausgestaltung der Sozialpolitik in der gesamten Bandbreite. Damit im Zusammenhang steht die Frage, was Veränderungen in der Sozialpolitik für soziale Teilhabe und Inklusion bedeuten.

Welche Forschungsschwerpunkte hast du in deiner Arbeit am IHS?

Wir arbeiten in der Forschungsgruppe einerseits zur Struktur und Entwicklung des Arbeitsmarktes, von Erwerbtätigkeit und Erwerbseinkommen. Andererseits beschäftigen wir uns mit der inhaltlichen Ausgestaltung und Entwicklung von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in ihrer gesamten Bandbreite und setzen den Fokus dabei vor allem auf Österreich. Im Zusammenhang damit steht auch die Frage, was diese Ausgestaltung vor dem Hintergrund von Veränderungen im Arbeitsmarkt und Erwerbsleben für soziale Teilhabe und Inklusion bedeutet. In unserer Forschungsgruppe arbeiten wir dabei häufig inter- bzw. transdisziplinär, basierend auf einer Verbindung ökonomischer, soziologischer und politikwissenschaftlicher Perspektiven. Auf der akademischen Ebene interessiert mich persönlich auch die Erklärung einschlägiger politischer Entscheidungsfindungsprozesse. Seit etwa zwei Jahren forcieren wir in diesem Zusammenhang auch die Untersuchung von sogenannten Welfare Attitudes, also von Erwartungshaltungen und Vorstellungen der Bevölkerung zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung von Sozialpolitik.

In welchen aktuellen Forschungsprojekten arbeitest du dazu derzeit?

Ich arbeite derzeit an zwei Projekten für die Europäische Kommission mit. Eines wird im Rahmen des Europäischen Netzwerkes für Sozialpolitik, als Teil eines internationalen Konsortium, durchgeführt. Dort machen wir Assessments zu unterschiedlichen sozialpolitischen Feldern und Inhalten. Die Ergebnisse fließen dann als thematische Berichte – zuletzt etwa zur Wohnungspolitik oder zur Finanzierung von Sozialpolitik – in die politische Arbeit der Europäischen Kommission ein.

Ein weiteres großes europäisches Projekt ist eine Machbarkeitsstudie zu einer Europäischen sozialpolitischen „Child Guarantee“. Dabei geht es um die Sicherstellung von sozialer Inklusion und Partizipation von Kindern und die dafür in unterschiedlichen Politikfeldern notwendigen Maßnahmen. Die in einem internationalen Konsortium erstellten, länderspezifischen und international vergleichenden Untersuchungen, werden dann wieder in den politischen Prozess auf Europäischer Ebene hineinspielen. Auf der akademischen Seite beschäftige ich mich aktuell mit Analysen zu Welfare Attitudes, also Einstellungen zu Sozialpolitik. Ein internationales Kooperationsprojekt dazu ist derzeit im Abschluss begriffen.

Aus den anwendungsorientierten Forschungsprojekten entstehen dann auch akademische Beiträge?

Ja. Das ist der Idealfall. Kürzlich ist in der Österreichischen Zeitschrift für Politikwissenschaft ein Paper zur Österreichischen Mindestsicherungsreform 2010 erschienen, das die wesentlichen erklärenden Faktoren dieser Reform untersucht. Solche akademische Beiträge sind angedockt an anwendungsorientierte Projekte und können zusätzliche Erkenntnisse – in diesem Fall zur Frage nach dem „Warum“ – liefern. Zur Mindestsicherung soll noch ein weiteres Paper erscheinen, das die Reformprozesse von 2010 bis heute untersucht.

Welche Themen sind für dich außerdem relevant?

Die Politikfelder, die beispielsweise für die EU Kommission bearbeitet werden müssen, sind vielfältig und reichen von der Mindestsicherung, über die Arbeitslosenversicherung und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sowie familienpolitische Leistungen bis hin zur Pensionsversicherung. Thematisch muss in solchen Arbeitszusammenhängen die gesamte Bandbreite der sozialpolitischen Forschung abgedeckt werden.

Was sind für dich in der Sozialpolitik momentan die spannendsten Felder?

Eine der spannendsten Fragen ist, inwieweit die tradierten Sozialsysteme noch eine entsprechende inhaltliche Passung haben, um soziale Inklusion herzustellen. Das alles vor dem Hintergrund sich wandelnder Arbeitsmärkte, wandelnder familiärer Formen des Zusammenlebens und veränderter Erwerbsverläufe. Daraus ergeben sich Fragen nach möglichen Sicherungslücken und den daraus resultierenden Konsequenzen. Wir befassen uns dann einerseits mit möglichen bzw. notwendigen Adaptionsmöglichkeiten. Andererseits ist die Frage relevant, wie die Wahrscheinlichkeit möglicher Veränderungen zum Beispiel vor dem Hintergrund institutioneller Pfadabhängigkeiten und von Machtstrukturen einzuschätzen ist.

Wie könnten Reformen bei sozialen Absicherungssystemen aussehen?

Es ist immer die Frage, welche sozialen Rechte in einer gewissen Situation als legitim angesehen werden. Meiner Ansicht nach ist es einerseits notwendig, dass die zentralen Zweige monetärer sozialpolitischer Transfers auch universelle bzw. mindestsichernde Elemente aufweisen. Damit kann die zunehmende soziale Ungleichheit, die vom Versicherungs- und Äquivalenzprinzip teilweise reproduziert wird, abgefedert werden. Auf der anderen Seite muß der Zugang zu und die Leistbarkeit von sozialen Dienstleistungen sichergestellt werden. In Österreich zeigt sich diesbezüglich vielfach eine starke Differenzierung nach Bundesländern, etwa betreffend institutionelle Kinderbetreuung.

Zum Abschluss noch zum persönlichen Teil, wie war dein Weg ans IHS?

Ich habe mich nach meinem Studienabschluss zuerst auf der Universität Wien an einem Forschungsprojekt zu atypischer Beschäftigung im internationalen Vergleich beteiligt und war dann schon in den 90ern eineinhalb Jahre am IHS. Danach bin ich wieder an die Universität gegangen, war dort bis 2013 und bin dann wieder zurück ans IHS gekommen. Ein Grund dafür war die interdisziplinäre Ausrichtung des IHS und die hier gegebene explizite Zielsetzung der Kombination akademischer und anwendungsorientierter Forschung. Dies deckt sich mit meinem Verständnis gesellschaftlich relevanter sozialwissenschaftlicher Forschung.

Danke für das Gespräch!