Spotlight: Peter Grand

Peter Grand ist Politikwissenschafter und arbeitet am IHS als Senior Researcher in der Forschungsgruppe European Governance, Public Finance and Labor Markets.


Was sind deine Aufgaben am IHS?

Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der Umsetzung der Europäischen Sozialstudie (European Social Survey – ESS, Anm.). Das machen wir jetzt schon seit 2013, als nationaler Koordinator bin ich für die Umsetzung des Österreich-Teils verantwortlich. Daneben forsche ich vor allem zu Sozialpolitik und Wohlfahrtsstaat, zuletzt etwa in einer Studie für das AMS, über die Rolle die die Höhe der Kinderbetreuungskosten für die Erwerbstätigkeit der Eltern spielt.

Was der European Social Survey (ESS)?

Der ESS ist eine europaweite Studie an der 28 Länder teilnehmen und die alle zwei Jahre wiederholt wird. Sie erhebt Einstellungen und Meinungen der europäischen Bevölkerung zu vor allem sozialen Themen wie z.B. gesellschaftlichem Vertrauen, politischem Engagement – aber auch zu Einstellungen zum Klimawandel oder Energienutzung. Dabei gibt es einen Hauptfragebogen, der jede Runde gleich bleibt und sogenannte rotierende Module, die speziellen Themen gewidmet sind. In der 10. Erhebungsrunde, die 2021 stattgefunden hat, waren das beispielsweise soziale Kontakte über elektronische Medien und Demokratie. Die jetzt anlaufende 11. Runde beschäftigt sich mit sozialen Ursachen von Gesundheitsunterschieden und Genderfragen.

Wie läuft die Koordination mit den europäischen Partnern ab?

Das ESS Headquarter befindet sich in London an der City University. Die Struktur ganz grob: Es gibt einen Direktor, ein Core Scientific Team und die General Assembly, das oberste Entscheidungsgremium: Weitere Gremien sind, u.a. der wissenschaftliche und der methodische Beirat. Vor der eigentlichen Feldarbeit wird in einer Pilotstudie in sogenannten kognitiven Interviews getestet, wie bestimmte Fragen oder Begriffe verstanden werden. Danach wird in 2-3 Ländern nochmals eine Pilotstudie mit einer reduzierten Fallzahl (rund n=400) durchgeführt, um sicher zu gehen, dass mit dem Fragebogen auch wirklich die Konzepte gemessen werden, die man erheben möchte. Das spielt unter anderem deshalb eine Rolle, weil der ESS in mehreren Sprachen erhoben wird und übersetzte Begriffe unterschiedlich verstanden werden könnten. Von der Stichprobenziehung, über den Übersetzungsprozess des Fragebogens bis zur Umsetzung der Feldarbeit ist genau festgelegt, wie und nach welchen methodischen Standards der jeweilige Arbeitsschritt durchgeführt werden muss. Dadurch soll die Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Ländern, aber auch über die Zeit hinweg, gewährleistet werden.

Die Runde 10 der Erhebung ist in das Corona-Jahr gefallen, was gab es da für Herausforderungen?

Der größte Unterschied war, dass wir keine Face-to-face Interviews machen konnten. In Österreich wurden deshalb im Vorfeld der Studie zwei Experimente durchgeführt, um die sogenannte Push-to-web Methode zu testen und basierend auf den Ergebnissen dann entschieden, die Erhebung durchzuführen. Rückblickend hat das gut funktioniert, wir haben für die Runde bisher eine Response Rate von 32 Prozent, was für Push-to-web ein sehr guter Wert ist.

Was interessiert persönlich am ESS?

Ich habe mich davor schon intensiv mit Umfragedaten und quantitativen Methoden beschäftigt und schon seit meinem Studium einen thematischen Schwerpunkt auf Wohlfahrtsstaatsforschung und Sozialpolitik gelegt. Der ESS führt diese beiden Welten zusammen, das macht ihn so spannend.

Woran möchtest du in Zukunft arbeiten?

Generell interessiert der Spagat zwischen Politiken, die dem Klimawandel entgegen stehen und wie diese Politiken gleichzeitig auf soziale Ungleichheiten wirken. Die spannende Fragestellung dabei ist, wie Politiken gegen den Klimawandel gestaltet sein müssen, damit sich diese Ungleichheiten nicht noch verstärken oder – noch besser – kleiner werden.