Spotlight: Karin Schönpflug

Karin Schönpflug ist Teil des Kompetenzzentrums Sicherheit und Stabilität und hat vor Kurzem eine Studie zum Thema Gender Pricing publiziert.

Woran arbeitest du am IHS derzeit?

Ich bin im Kompetenzzentrum Sicherheit und Stabilität und mache Projekte, die mit diesen beiden Themen im Zusammenhang stehen. Derzeit ist die Arbeit vor allem durch einen dreijährigen Rahmenvertrag mit dem Innenministerium geprägt, für das wir unterschiedliche Studien und Projekte abwickeln.

Im Bereich Sicherheit habe ich sonst hauptsächlich zum Thema Minderheiten gearbeitet. Von der OeNB hatten wir beispielsweise Projekte, bei denen es um die ökonomische und soziale Situation von LGBTI-Personen gegangen ist. Im ersten Projekt haben wir untersucht, ob es überhaupt Daten für diese Gruppe gibt und festgestellt, dass es wenig, vor allem kein national oder international vergleichbares, Datenmaterial gibt. Das war interessant, wir haben zum  Beispiel herausgefunden, dass in einigen Ländern erfasste gleichgeschlechtliche Paare aktiv von den statistischen Nationalämtern aus der Volkszählung herausgestrichen werden oder auf andere Arten aus den Datensätzen verschwinden. In einem Projekt für die Stadt Wien haben wir dann eine Online-Umfrage gemacht, bei der wir mehr als 3.000 Personen u.a. zur Sicherheitslage befragt haben - also etwa zum Sicherheitsgefühl in der Stadt, Diskriminierungen am Arbeitsplatz und ihrer ökonomischen Situation. Für den sehr großen Datensatz haben wir schließlich mit Unterstützung durch ein zweites OeNB Projekt die erhobenen Daten weitergehend ausgewertet und in Forschungsbeiträgen und internationalen Konferenzen publiziert.

Welche Bedeutung hatten diese Projekte?

Die Projekte waren insofern relevant, weil zur sozio-ökonomischen Situation von LGBTI-Personen kaum Daten vorhanden sind und sehr wenig geforscht wird, das IHS hat sich hier in Österreich eine Vorreiterrolle aufbauen können.

Gibt es noch andere Erhebungen zu dem Thema?

Die Arbeiterkammer hat vor kurzem nachgelegt und für ganz Österreich eine ähnliche Erhebung gemacht, die sich auf den Bereich Arbeitsmarkt konzentriert und unsere Ergebnisse noch einmal bestätigt hat. Die Europäische Grundrechtsagentur (FRA) macht europaweit Befragungen, die auch Veränderungen über die Zeit und zwischen einzelnen Ländern sichtbar machen. Gerade in den letzten Jahren gibt es hier einen Backlash auch neben Übergriffen auf Individuen. Insbesondere in Polen ist dies zu bemerken, wo 2019 eine Pride Veranstaltung in Białystok von Hooligans überfallen und auf politischer Ebene mit 40 Gegendemonstrationen beantwortet wurde. Das ist insofern relevant, weil das nicht nur ein Sicherheitsthema für die LGBTI Bevölkerung ist, sondern für viele EU-Länder auch ein Demokratie-Indikator. Länder, die der EU beitreten wollen, müssen gewisse Voraussetzungen in diesem Bereich erfüllen.

Welche weiteren Themen bearbeitest du im Sicherheitsbereich derzeit?

Wir arbeiten gerade am Projekt „Growing up free from violence and abuse“(GUFOVA). Dabei geht es um Sicherheit in familiären Haushalten, konkret um Kinder, die in ihren Herkunftsfamilien Gewalt erfahren haben - meist vom Vater - und dann mit ihren Müttern in Frauenhäuser gehen. Wir haben dazu jetzt ein europäisches Projekt, in dem wir mit Frauenhaus-MitarbeiterInnen aus unterschiedlichen Ländern Schulungsmaterial erstellen. Wir entwickeln dazu einen Leitfaden, wie man mit den Kindern arbeiten kann und wollen auch internationales Material entwickeln. Meine Aufgabe als Ökonomin ist es, ein Policy-Tool für die Frauenhaus MitarbeiterInnen zu erstellen, das aufzeigen helfen soll, wie Folgekosten durch rechtzeitige Bereitstellung von Mitteln für diese Kinder eingedämmt werden können.

Im August habt ihr die Studie zum Thema Gender Pricing präsentiert, was waren dabei die wesentlichen Erkenntnisse?

Wir haben zu körpernahen Produkten- und Dienstleistungspreisen Erhebungen gemacht und uns angesehen, ob Männer und Frauen unterschiedliche Preise bezahlen - bzw. bezahlen sollen. Dienstleistungen wären etwa Friseur oder Textilreinigung, für die Produkte haben wir einen Parfümeriewarenkorb gebildet, der z.B. Haarshampoo oder Rasierklingen beinhalt hat. Herausgekommen ist, dass sich die Dienstleistungsgewerbe nicht an das Gleichbehandlungsgesetz halten und Frauen tatsächlich im Schnitt 11 Euro mehr beim Friseur und für ihre Bluse das Doppelte wie ein Mann für ein Hemd in der Reinigung bezahlen – ob sie wollen oder nicht. Bei den Körperpflegprodukten sind die Preise für Frauenprodukte im Schnitt ebenfalls höher (rund 9 Euro) tatsächlich können Frauen bei Produkten aber auf billigere Produkte ausweichen, was sie tatsächlich tun (sie kaufen im Schnitt um 8 Euro billiger ein als Männer.)

Gibt es aus dem Rahmenvertrag mit dem Innenministerium derzeit laufende Projekte?

Wir machen gerade eine Erhebung zum gesellschaftlichen Nutzen des BMI und der Polizei. Die Forschungsgruppe Unternehmen, Branchen, Regionen hat dazu eine ökonomische Evaluierung des gesamten Innenministeriums gemacht und wir haben uns den sozioökonomischen Teil angesehen und u.a. eine intersektionale Analyse dazu gemacht, die Interaktionsprozesse der Polizei mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen untersucht.

Wie bist du persönlich auf das Thema Sicherheit gekommen?

Das Thema Sicherheit passt gut zum Gender und Diversity Schwerpunkt den ich seit vielen Jahren bearbeite. Geschlechterhierarchien, Rassismen oder Heteronormativität werden immer mit Gewalt umgesetzt, was sich für die betroffenen Gruppen als persönliches und/oder ökonomisches Sicherheitsrisiko auswirkt.  

Zu meinem Hintergrund: Ich war vor dem IHS fünf Jahre im Finanzministerium und habe zu den Themen Finanzmärkte und Wirtschaftspolitik gearbeitet. Davor und daneben habe ich an unterschiedlichen Universitäten unterrichtet. 

Was waren die ausschlaggebenden Gründe für deinen Wechsel ans IHS?

Ich bin 2008 ans IHS gekommen, unter anderem weil ich zum einen mehr Zeit für das Unterrichten haben wollte und sich das mit den vielen Dienstreisen im Finanzministerium schwerer vereinbaren ließ. Ich komme ja auch aus dem Universitätsbereich und habe unter anderem in Klagenfurt, Portland Maine, Graz und Neuseeland unterrichtet. Seit 2003 unterrichte ich am Institut für Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Was ich am IHS sehr schön finde ist, dass man nicht hundert Prozent auf ein Thema festgelegt ist und interdisziplinär arbeiten kann.

Worin unterscheidet sich deine derzeitige Tätigkeit von der Arbeit im Finanzministerium?

Ich würde sagen, dass ich jetzt mehr interdisziplinär arbeite, das Gender Thema ist dafür ein gutes Beispiel. Auch thematisch habe ich bereits in einigen Bereichen gearbeitet. Vor einigen Jahren habe ich einiges im Transport Bereich gemacht und mir unter anderem den öffentlichen Verkehr, insbesondere  die Flugabgabe angesehen - also eher logistische Themen.

Eine Zeit lang habe ich mich auch sehr intensiv mit Preisentwicklung und Inflation befasst. Entstanden ist dieser interessante Schwerpunkt aus einer Anfrage des Sozialministeriums, das wissen wollte, warum Eier und Milch in Österreich im Preis mehr gestiegen sind als in Deutschland. Das war gar nicht so leicht zu beantworten, weil es zunächst schwer war, an verlässliche Daten zu kommen. Beim näheren Hinsehen wurde dann deutlich, dass unter der Bezeichnung „Milch“ in den Europäischen Ländern ganz unterschiedliche Produkte zusammengefasst werden. In Deutschland ist etwa im Gegensatz zu Österreich Bio-Milch und Babymilch nicht in der Produktgruppe Milch enthalten, weshalb auch die Preisentwicklung verzerrt dargestellt wird. Solche Grundprämissen, die jeder Statistik zugrunde liegen, egal ob es sich um Milch oder marginalisierte Bevölkerungsgruppen handelt, interessieren mich besonders.

Danke für das Gespräch!