Spotlight: Andreas Huber

Andreas Huber ist als Historiker und Soziologe seit 2019 am IHS und dafür zuständig, das Archiv des Instituts aufzuarbeiten. Sein Buch „Der Deutsche Klub“, das er gemeinsam mit Linda Erker und Klaus Taschwer verfasst hat, ist heuer auf der Shortlist für das Wissenschaftsbuch des Jahres.


Wie sieht deine akademische Laufbahn bis jetzt aus?

Ich habe 2003 damit begonnen, Geschichte zu studieren. Was mir dabei aber gefehlt hat, war eine fundierte methodische Ausbildung. Ich habe dann einige Lehrveranstaltungen aus verschiedenen Disziplinen besucht und bin dann bei der Soziologie hängen geblieben. Ab dem Sommersemester 2005 habe ich die beiden Fächer dann als Doppelstudium belegt und 2009 mein Geschichte-Studium abgeschlossen. Meine Diplomarbeit hat sich mit dem Prozess der Entnazifizierung der Studierenden an der Uni Wien beschäftigt, ein Jahr später habe ich dort auch zu arbeiten begonnen. Mein Forschungsthema waren damals die im Nationalsozialismus aus „politischen“ Gründen enthobenen Lehrenden der Universität Wien – ich habe das dann später auch zu meinem Diplomarbeitsthema für den Abschluss des Soziologie-Studiums 2012 gemacht.

Danach hast du dein Doktoratsstudium begonnen?

Ich hatte zunächst ab 2013 eine Assistenzstelle am Institut für Zeitgeschichte an der Uni Wien und war vier Jahre Assistent von Friedrich Stadler, der zu Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsphilosophie arbeitet. In dieser Zeit habe ich auch mit meiner Dissertation begonnen, für die ich mich ursprünglich mit wissenschaftlichen Fachzeitschriften befassen wollte. Davon bin ich dann aber abgekommen, vor allem deshalb, weil ich viel Recherchearbeit in einen Artikel zur Sozialstruktur und zu Karrierewegen der Hochschullehrerschaft an der Uni Wien von der Ersten Republik bis in die unmittelbare Nachkriegszeit investiert habe. Das geschah anlässlich des 650-Jahr-Jubiläums der Uni im Jahr 2015. Das Thema habe ich dann weiterverfolgt. Meine zentrale Fragestellung ist, wie sich außerwissenschaftliche Kriterien wie Geschlecht, politische Haltung oder Religionszugehörigkeit auf die akademische Laufbahn an der Uni Wien ausgewirkt haben. Es ist vor allem eine quantitative Studie, basierend auf historischen Quellen.

Wie bist du anschließend ans IHS gekommen?

Mein Vertrag am Institut für Zeitgeschichte ist 2017 ausgelaufen, ich habe dann zunächst in ein paar Projekten gearbeitet – darunter ein Forschungsprojekt mit Klaus Taschwer und Linda Erker, dessen Ergebnisse vor kurzem als Buch erschienen sind. 2019 hat Thomas König jemanden gesucht, der sich mit dem Archiv des Instituts befassen und eine Bestandsaufnahme zur Personalentwicklung leisten soll. Das IHS feiert ja 2023 sein sechzigjähriges Jubiläum, und das will rechtzeitig vorbereitet sein. Ich arbeite jetzt als Junior Researcher einerseits zur IHS-Geschichte und andererseits an der Fertigstellung meiner Dissertation, die für nächstes Jahr geplant ist.

Was ist das Spannende am IHS-Archiv und an der Geschichte des Instituts?

Da gibt es vieles, zwei Beispiele: Während sich im akademischen Bereich bzw. an den Universitäten in den letzten Jahrzehnten viel geändert hat, ist die Scholaren-Ausbildung am IHS von der Gründung bis ins Jahr 2015 relativ gleich geblieben. Das sind übrigens beste Voraussetzungen für eine Analyse zu den weiteren Karrieren der Absolventinnen und Absolventen, zum „Impact“ des IHS. Gerade in den 1970er- und 1980er-Jahren hat das Institut eine wichtige Rolle bei der Rekrutierung wissenschaftlicher Eliten in Österreich gespielt, etwa im Bereich der Politikwissenschaft-Professuren, das ist natürlich spannend. Am Ende des Projektes soll jedenfalls eine Datenbank mit sämtlichen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit 1963 stehen.

Du hast schon dein Buchprojekt gemeinsam mit Linda Erker und Klaus Taschwer angesprochen, worum geht es dabei?

Wir arbeiten in dem Buch die Geschichte des Deutschen Klubs auf, dem einflussreichsten deutschnationalen Verein der Zwischenkriegszeit. Bis zu unserem Buch war die Geschichte des Vereins wenig beforscht, uns ist er bei Recherchen zum Lehrkörper der Uni Wien aber wiederholt untergekommen – etwa bei der Besetzung von Spitzenfunktionen. Das Buch zeigt sehr gut, wie der Verein zur nationalsozialistischen Unterwanderung in Österreich beigetragen hat und im März 1938 viele zentrale Führungspositionen, etwa an der Uni Wien, an der OeNB oder im Burgtheater, mit Mitgliedern des Vereins besetzt wurden. Das widerspricht in weiten Teilen der Erzählung, dass 1938 vor allem NS-Eliten aus dem „Altreich“ lukrative Posten erhielten. Gerade in Wien hat das Netzwerk des Deutschen Klubs bei der Besetzung von Spitzenpositionen eine wesentliche Funktion eingenommen.

Das Buch wurde jetzt für das „Wissenschaftsbuch des Jahres“ nominiert, wie ist es dazu gekommen?

Es gibt eine Jury, die unter anderem aus WissenschafterInnen und WissenschaftsjournalistInnen besteht und für das BMBWF jedes Jahr eine Longlist der besten Wissenschaftsbücher des Jahres erstellt – das waren heuer etwa 70, unterteilt in vier Kategorien. Aus denen hat die Jury wiederum fünf pro Kategorie für den Preis nominiert. Als letzter Schritt läuft jetzt das Online-Voting, bis 11. Jänner 2021 kann unter https://www.wissenschaftsbuch.at abgestimmt werden.

Danke für das Gespräch und alles Gute für die Wahl zum Wissenschaftsbuch des Jahres!