Spotlight: Angela Wroblewski

Angela Wroblewski ist seit 1996 am Institut für Höhere Studien. Sie forscht zu Gleichstellungsthemen im Bereich Wissenschaft und Forschung und ist eine der IHS-Gleichstellungsbeauftragten.


Wie sieht dein Werdegang am Institut für Höhere Studien (IHS) aus?

Ich bin 1996 ans IHS gekommen, um den postgraduate Lehrgang in Soziologie zu machen. Seit 1999 bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am IHS. Ich habe begonnen mit Projekten im Bereich Frauenförderung und Gender Mainstreaming. Seit damals hat sich das Feld weiterentwickelt in Richtung Gender, Diversität und Inklusion. In den letzten 20 Jahren habe ich überwiegend zu Gleichstellungsthemen im Bereich Wissenschaft und Forschung gearbeitet und auf Basis von Forschungsergebnissen Input für die Entwicklung und Weiterentwicklung von Gleichstellungspolitiken für Ministerien, Forschungsfördereinrichtungen oder die Europäische Kommission geliefert.

Du bist außerdem eine der Gleichstellungsbeauftragten am IHS, was sind hier deine Aufgaben?

Ich finde diesen Bezug zur Praxis wichtig und habe mich deshalb auch am IHS in diesem Bereich engagiert. Einige Kolleginnen haben sich ab 2013 für die strukturierter Frauenförderung und Gleichstellungsmaßnahmen am IHS eingesetzt. Seit 2022 sind fünf Stunden meiner Arbeitszeit der Aufgabe als Gleichstellungsbeauftragte gewidmet, eine Funktion, die ich gemeinsam mit Petra Hirzer ausübe. Als Gleichstellungsbeauftrage unterstützen und beraten wir einerseits die Institutsleitung bei der Entwicklung und Umsetzung von Gleichstellungsmaßnahmen und andererseits sind wir Ansprechpersonen für IHS-Angehörige, die von Diskriminierung, Belästigungen oder geschlechterbezogenen Benachteiligungen betroffen sind.

Du bist auch Sprecherin einer Forschungsplattform. Wie sieht die Arbeit dort aus?

Ein Ziel des IHS-Gleichstellungsplans, der im Jänner 2023 verabschiedet wurde, ist es, die Forschung im Bereich Gender- und Diversität sichtbar zu machen. Dieses Ziel unterstützt die IHS-Forschungsplattform Gender und Diversität, die jedes Jahr mehrere Veranstaltungen organisiert, um Forscher:innen des IHS mit externen Expert:innen zu vernetzen und IHS-Forscher:innen die Möglichkeit zu bieten, aktuelle Forschungsergebnisse zu präsentieren.

Die Forschungsplattform Gender und Diversität hat beispielsweise 2022 in Kooperation mit der Wirtschaftsuniversität Wien und der Arbeiterkammer Wien die Konferenz „Warum (wieder) Frauen* fördern?“ organisiert, aus der ein Sammelband entstanden ist, der in den nächsten Monaten im Springer-Verlag erscheinen wird. Im Mai 2023 fand der 8. österreichische Workshop der feministischen Ökonom:innen am IHS statt.

Wie hat sich die Bedeutung von Gleichstellung im Forschungsbereich im Laufe der Zeit geändert?

Im Bereich der Forschung hat man sich zu Beginn mit den unterschiedlichen Formen der Benachteiligung von Frauen auseinandergesetzt und die zugrundeliegenden Mechanismen aufgezeigt. Das war die Grundlage für die Entwicklung von frauenfördernden Maßnahmen im Bereich Wissenschaft und Forschung. Mit der Jahrtausendwende und der Implementierung von Gender Mainstreaming wurden nicht mehr Frauen, sondern Geschlechterverhältnisse adressiert. Damit lag der Fokus nicht mehr auf der Förderung von Frauen, sondern es wurden Rollenstereotype adressiert, die geschlechterbezogene Benachteiligungen bedingen. Aktuell liegt der Fokus sowohl in der Forschung als auch in der Gleichstellungspolitik auf exkludierenden Mechanismen, die in den bestehenden Strukturen und Prozessen grundgelegt sind. Es geht damit um die Frage, wie durch scheinbar geschlechterneutrale Praktiken ein Bias entsteht, der bestimmte Gruppen exkludiert und wie diese exkludierenden Mechanismen verändert werden können.

Auch im Bereich der Forschungspolitik ist die Bedeutung von Gleichstellung in den letzten Jahren stark gestiegen. Das zeigt sich darin, dass Forschungsförderung immer öfter daran geknüpft wird, dass Forschungseinrichtungen Gleichstellungspläne verabschieden und umsetzen. So ist beispielsweise für eine Antragstellung in Horizon Europe ein Gleichstellungsplan Voraussetzung.

Welche aktuellen Themen und Herausforderungen siehst du?

Aus meiner Sicht sind die größten Herausforderungen die Weiterentwicklung von einem auf Geschlechter fokussiertem zu einem stärker intersektional ausgerichteten Zugang und das adäquate Adressieren von Geschlechtervielfalt im Kontext von Gleichstellungsthemen. In diesen Bereichen ist die theoretische Diskussion schon sehr weit, aber in der empirischen Analyse wird weiterhin oft zwischen Frauen und Männern unterschieden, das heißt es bleibt bei einem binären Geschlechterverständnis und die Heterogenität innerhalb der Frauen und Männer bleibt unberücksichtigt. Das kann dazu führen, dass exkludierende Mechanismen nur unzureichend erfasst werden und damit die Grundlage für die Entwicklung von effizienten Gleichstellungspolitiken fehlt. In vielen Bereichen stehen wir vor der Herausforderung, dass es uns an aussagekräftigen Indikatoren oder den dafür notwendigen Datengrundlagen fehlt. Da ist noch einiges zu tun.

Wie kann Forschung dazu beitragen, Diskriminierung zu verhindern oder entgegenwirken?

Forschung kann in erster Linie empirische Evidenz bereitstellen und jene Mechanismen aufzeigen, die Diskriminierung oder Exklusion bedingen. Dadurch kann sie einen Beitrag zu einem gleichstellungspolitischen Diskurs leisten und liefert Input für Politikgestaltung. Transparenz kann aber auch dazu führen, dass Diskriminierung nicht mehr als individuelles Problem sondern als ein strukturelles Problem wahrgenommen wird. Aus diesem Grund ist es aus meiner Sicht so wichtig, dass Gleichstellungspolitik neben individuellen Förderangeboten verstärkt strukturelle Maßnahmen fokussiert.

Danke für das Gespräch!