Spotlight: Marcel Seifert

Marcel Seifert ist 2021 Teil der IHS-Forschungsgruppe Verhaltensökonomik. Im Gespräch erklärt er, worin für ihn der Schlüssel zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit liegt und welche Rolle das IHS dabei einnimmt.


Du bist Teil der Forschungsgruppe Verhaltensökonomik, wo liegen die Schwerpunkte deiner Arbeit?

Ich beschäftige mich hauptsächlich damit, wie umweltfreundliches Verhalten gefördert werden kann, beispielsweise Investitionen an der Börse. Außerdem untersuche ich Verhaltensbarrieren in Hinblick auf klimafreundliches Verhalten sowie die Kluft zwischen Absicht und Verhalten, also warum die Absicht, die Umwelt zu schützen, nicht immer umgesetzt wird.

War das schon immer der Fokus deiner Forschung?

Gewissermaßen, ja. Für mich ist der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit menschliches Verhalten. Das war auch der Grund, warum ich mein Studium der evolutionären Anthropologie gewählt habe. Die Schwerpunkte Humanökologie und Verhaltensbiologie haben mir die Grundlage gegeben, um mich tiefergehend damit zu beschäftigen.

Wie hast du den Schritt von evolutionärer Anthropologie zu Verhaltensökonomie gemacht?

Ein Fach hat quasi dafür gereicht: Wirtschaftswissenschaften für Anthropolog:innen. Da war mein Interesse sofort geweckt. Für meine Masterarbeit habe ich mir eine externe Stelle gesucht. An der Österreichischen Akademie der Wissenschaften habe ich deswegen gemeinsam mit zwei Kollegen Verhaltensbarrieren zu klimafreundlichem Verhalten beforscht. Und kurz darauf habe ich die Chance bekommen meine Forschungsarbeit am IHS fortzuführen und zu erweitern.

Jetzt bist du seit 2021 am Institut für Höhere Studien. Was zeichnet die Arbeit am Institut für dich aus?

Für mich war immer klar, dass ich Forschung betreiben möchte, die etwas bewirkt. Das IHS bietet mir dafür die ideale Balance zwischen Theorie und Praxis.

Wie sieht diese Balance aus?

Einerseits geht es um den Praxisbezug bei unseren Forschungsprojekten. Es gibt ein Problem in der Realität und unsere Forschung hilft dabei, die Situation besser zu verstehen und Lösungsansätze zu finden, die wir mit unseren Methoden, wie etwa Randomized Control Trials, auch schon vorab auf Ihre Wirksamkeit testen können. Andererseits ist es der Name, den sich das IHS als Forschungsinstitut bereits gemacht hat. Dadurch stehen wir im Austausch mit anderen Universitäten und Wissenschafter:innen aus aller Welt.

Kannst du uns ein Beispiel für so ein Forschungsprojekt nennen?

Gerne auch mehr (lacht). Derzeit arbeiten wir etwa im Rahmen eines von der Österreichischen Nationalbank finanzierten Forschungsprojekts eng mit der Finanzmarktaufsicht zusammen, um nachhaltige Investitionen an der Börse sowie das Wissen zu nachhaltigen Finanzen zu fördern. In einem anderen Projekt arbeiten wir mit Wiener Wohnen zusammen, um Littering in Wiener Wohnanlagen zu reduzieren. Anders gesagt, welche Maßnahmen helfen, achtloses Wegwerfen von Müll in den Müllräumen zu verhindern. Und besonders daran ist, dass wir durch diese Kooperationen wirklich nahe am Menschen forschen können.

Wie kann man sich Forschung nahe am Menschen vorstellen?

In der Forschung gibt es oft die Frage der Stichprobe, also welche Leute befrage ich und wie kann ich sie erreichen. Konkret haben wir in diesem Projekt Bewohner:innen von Wiener Gemeindebauten befragt. Studienassistent:innen unserer Forschungsgruppe sind wirklich von Tür zu Tür gegangen und haben mit den Menschen gesprochen. Das trägt natürlich zum Wert unserer Forschungsergebnisse bei. Wir erreichen so eine Personengruppe, zu der wir sonst nur schwer Zugang hätten. In dem Projekt zu nachhaltigem Investieren haben wir unter anderem Investor:innen von insgesamt acht Banken befragt.

Gibt es eine bestimmte Zielgruppe, die du in einem zukünftigen Forschungsprojekt erreichen möchtest?

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann möchte ich Investments in erneuerbare Energien beforschen. Vor allem nachhaltiges Bauen und Sanieren, weil davon sehr viele Menschen betroffen sind. Besonders durch die gestiegenen Energiepreise ist die Frage der Sanierung eine spannende, es ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Aber es kommen natürlich auch noch Faktoren wie der Wohnkomfort oder Förderungen durch den Bund oder Länder mit ins Spiel. Nachhaltigkeit muss nicht zwingend allein aus der Motivation des Klimaschutzes entstehen. Wichtig ist es, die verschiedenen Motivationen zu verstehen und dementsprechend zu fördern.