Spotlight: Kira Abstiens

Kira Abstiens ist Researcher am IHS und in der Forschungsgruppe Verhaltensökonomik, Insight Austria, tätig. Sie hat Psychologie in Wien studiert und interessiert sich für Gesundheits- und Nachhaltigkeitsthemen sowie für Wissenschaftskommunikation.


Wie sieht dein akademischer Werdegang aus?

Ich habe Psychologie in Wien studiert und habe zum ersten Mal in einer Bachelorvorlesung von Prof. Erich Kirchler von Verhaltensökonomie gehört. Ich war sofort begeistert von diesem Ansatz und seitdem wusste ich: das ist es, was ich machen will. Im Master habe ich dann ein Praktikum in diesem Bereich gesucht und bin durch einen ORF-Beitrag mit unserem ehemaligen Kollegen Axel Sonntag auf Insight Austria gestoßen. Ich habe mich dann gleich beworben, war zunächst als Studienassistentin tätig und bin nach meinem Masterabschluss dann als Researcher angestellt worden. Das war im November 2020. Und witzigerweise arbeitet Erich Kirchler – über den ich ja überhaupt erst zur Verhaltensökonomie gekommen bin – jetzt als Fellow mit uns zusammen!

Hast du vor, noch ein Doktoratsstudium anzuhängen?

Langfristig hab ich’s im Hinterkopf, aber gerade macht mir die Projektarbeit so viel Spaß, dass ich meinen Fokus darauflegen will. Ich habe das Gefühl, dass ich da gerade sehr viel lerne und auch was bewegen kann.

Was interessiert dich speziell an der Verhaltensökonomie?

Mir gefällt, dass es unter anderem um ganz alltägliche Themen geht, mit denen jeder etwas anfangen kann. Jeder kennt Situationen, in denen man gerne etwas machen möchte, es aber aus irgendeinem Grund doch nicht macht – Stichwort Neujahresvorsätze. Die Verhaltensökonomie ist eine Wissenschaft, die genau dabei unterstützen kann, indem sie die Barrieren adressiert, die daran hindern, ein bestimmtes Verhalten auszuführen. Außerdem hat der verhaltensökonomische Ansatz für mich eine sehr logische Herangehensweise. Man schaut sich an: Warum genau verhalten sich Menschen wie sie sich verhalten? Dann entwickelt man spezifisch für diese Gründe Maßnahmen und dann schaut man: Bringen die Maßnahmen was, haben sie einen Effekt?

Was war bisher das für dich persönlich interessanteste Projekt?

Mein Hauptprojekt ist „DG Reform: Better regulation in Austria“, das ist ein EU-gefördertes Forschungsprojekt, bei dem es darum geht, die Verwaltung und Politik evidenzbasierter zu gestalten, also wissenschaftliche Erkenntnisse stärker ins policy making zu integrieren. Wir haben dafür unter anderem Workshops in verschiedenen Ministerien abgehalten, bei denen wir die Verhaltensökonomie vorgestellt und erarbeitet haben, welche Anwendungsmöglichkeiten es dafür in der täglichen Arbeit der Teilnehmenden gibt. Es war sehr schön zu sehen, wie begeistert viele der Teilnehmenden von den Workshops waren und wie sie von den dort erarbeiteten Lösungsvorschlägen profitieren konnten. Zu sehen, wie wir da wirklich einen Beitrag leisten konnten, das hat mir bisher am meisten Spaß gemacht.

Wie sehen die weiteren Schritte in dem Projekt aus?

Wir haben vor dem Sommer die ersten Workshops gehalten, die restlichen werden im September und Oktober stattfinden. Der Abschluss des Projekts ist für März 2022 geplant. Einen Bericht dazu, wie verhaltensökonomische Erkenntnisse in der Verwaltung implementiert werden können, also welche internationalen Best-Practices es gibt, haben wir bereits abgeschlossen. In einem weiteren Bericht geht es jetzt vor allem darum, wie diese Workshop- und Weiterbildungskonzepte ganz konkret in der österreichischen Verwaltung nachhaltig implementiert werden können.  

Ein aktuelles Projekt, an dem du beteiligt warst, ist die Klimawandel-Landkarte, worum geht es dabei?

Mit der Klimawandel-Landkarte wollten wir uns ansehen, wie relevante AkteurInnen in Österreich zum gesellschaftlichen Umstieg auf den öffentlichen Verkehr und auf erneuerbare Energien eingestellt sind. Wir haben dafür 89 ExpertInnen befragt, wie sie die verschiedenen AkteurInnen bezüglich ihrer Macht und ihres Interesses am Umstieg einschätzen würden. Das Ganze haben wir dann in einer Matrix abgebildet. So haben wir gesehen welche AkteurInnen z.B. viel Macht, aber noch wenig Interesse am Umstieg haben, wer also noch überzeugt werden muss. Außerdem haben wir diese ExpertInnen und eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe gefragt, was die größten Barrieren bei der Bekämpfung des Klimawandels seien. Dabei kam interessanterweise heraus, dass aus ihrer Sicht der politische Wille fehlt, der Ernst der Lage noch nicht erkannt wird und dass Lobbyisten intervenieren.

Was für Projekte interessieren dich in Zukunft besonders?

Generell interessieren mich besonders Nachhaltigkeits- und Gesundheitsthemen. Zum Beispiel startet bald ein Projekt in dem es darum geht, wie man Menschen dabei unterstützen kann, nach einem Krankenhausaufenthalt ihre Therapien auch wirklich einzuhalten. Ein anderer Punkt, der mich themenübergreifend begeistert, ist die Wissenschaftskommunikation. Ich habe das Gefühl, da ist die Kluft noch ziemlich groß, zwischen der manchmal abstrakt anmutenden Forschung und dem Zusammenhang zum Alltag vieler Menschen. Da habe ich z. B. Anfang des Jahres ein Video gemacht, in dem wir eine Studie einfach und anschaulich aufbereitet und vorgestellt haben, so dass jeder die Chance hat, die Methode und die Erkenntnisse zu verstehen und einen Nutzen daraus zu ziehen. An solchen Dingen würde ich gerne in Zukunft noch mehr arbeiten.

Wohin möchtest du dich persönlich entwickeln?

Ich möchte auf jeden Fall in der anwendungsorientierten Wissenschaft bleiben. Mir gefällt vor allem die Schnittstelle zwischen Forschung und praktischer Anwendung, wie zum Beispiel die Erarbeitung von Maßnahmenvorschlägen, die dann am Ende wirklich im policy making eingesetzt werden. Das ist auch das, was ich am IHS so schätze. Alle Projekte, die wir bisher gemacht haben, haben praktische Relevanz und die Erkenntnisse, die wir gewinnen, können potenziell auch angewendet werden. Weiterhin, bzw. vielleicht noch ein bisschen mehr das Gefühl zu haben, mit meiner Arbeit tatsächlich etwas bewegen zu können – das ist mein Wunsch für die Zukunft.

Danke für das Gespräch!