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Zehn Jahre nach der Ankunft tausender Asylsuchender fragt Holger Bonin in der September-Ausgabe der IHS News: Wie erfolgreich ist die Integration in den Arbeitsmarkt gelungen?

September 2015: Allein am ersten Wochenende überschreiten 15.000 Asylsuchende die Grenze nach Österreich. Ein Teil davon bleibt, die meisten zieht es weiter zum deutschen Nachbarn. Bundeskanzlerin Merkel spricht ihren berühmten Satz: „Wir schaffen das!“ – Zehn Jahre später: Zeit für Bilanzen. Ein Befund, der dabei viele überraschen dürfte: 64 Prozent der Menschen, die 2015 als Schutzsuchende nach Deutschland zugezogen sind, sind heute abhängig beschäftigt. In der Gesamtbevölkerung ist diese Rate nur sechs Prozentpunkte höher.

Dass sich die Beschäftigungsquoten so rasch so weit angenähert haben, war wegen der oft sehr schwierigen individuellen Ausgangsvoraussetzungen – Belastungen durch die Flucht, fehlende Sprachkenntnisse und kaum übertragbare Qualifikationen, unklare Bleibeperspektiven – beileibe kein Selbstläufer. Die deutsche Politik hat dazu erfolgreich einen aktiven Beitrag geleistet: durch schnelle Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete, kombiniert mit intensivem Einsatz von nachhaltig wirksamen arbeitsmarktpolitischen Integrationsmaßnahmen.

Deren umfassende Evaluierung zeigt, dass sich Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber und aktive Hilfen zur Aus- und Weiterbildung im Betrieb besonders rentiert haben. Und zwar nicht nur für die Geförderten, sondern auch für den Fiskus. Steuer- und Beitragsmehreinnahmen plus eingesparte Sozialausgaben machen auf längere Sicht die Maßnahmenkosten mehr als wett. Als nicht zielführend hat sich dagegen erwiesen, für Geflüchtete gemeinnützige Jobs außerhalb des regulären Arbeitsmarkts zu schaffen.

Allerdings hätte die aktive Arbeitsmarktpolitik als Integrationspolitik wohl noch weit erfolgreicher sein können: wenn es mehr berufsbezogene Sprachförderung und weniger Kapazitätsengpässe in den Unterstützungsstrukturen gegeben hätte, wenn geflüchtete Frauen beim Zugang zu für sie zielführenden Maßnahmen weniger benachteiligt worden wären, wenn bei der Verteilung der Geflüchteten auf die Kommunen die Aufnahmefähigkeit des lokalen Arbeitsmarkts stärker Beachtung gefunden hätte.

Bei der Übertragung dieser Erfahrungen ist Vorsicht angezeigt. Es lassen sich aber einige Maximen für den Umgang mit heute zuziehenden Schutzsuchenden – auch in Österreich – ableiten. Diejenigen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit nicht allein lassen, sondern von Anfang an aktiv fordern und fördern! Sozial investieren, qualifizierte Beschäftigung ist wichtiger als schnelle Beschäftigung! Und schließlich: Die Betriebe als Integrationsmotor aktiv einbinden und unterstützen!

Holger Bonin
Wissenschaftlicher Direktor IHS


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