Die Wien-Wahl: BürgerInnen an die Urne bringen

Autorin: Clara Zwettler

Am Sonntag, den 11. Oktober, finden die Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen 2020 statt. Über 1.3 Millionen (EU-)BürgerInnen sind dieses Jahr wahlberechtigt. Wie viele Wahlberechtigte tatsächlich am Wahltag zu einer Wahlkabine gehen, zeigt sich am Ende in der sogenannten Wahlbeteiligung. Doch warum ist die Wahlbeteiligung so wichtig und wie lässt sie sich erhöhen?

Hohe Wahlbeteiligung wichtig und beeinflussbar

Eine hohe Wahlbeteiligung ist als zentrales Instrument der demokratischen Willensbildung und als Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft elementar. Denn wenn potentielle WählerInnen zwar eine Favoriten-Partei haben, aber nicht zur Wahl gehen, hat diese schlechtere Chancen zu gewinnen. Bei den Nationalratswahlen ist die Wahlbeteiligung im Jahr 2017 im Gegensatz zum historischen Tiefstand im Jahr 2013 (74,9%) zwar wieder auf 80% gestiegen. Jedoch liegt sie immer noch klar unter den früheren Rekordbeteiligungen von 96,8% im Jahr 1949 (Statista, 2019). Wichtig festzuhalten ist hierbei jedoch, dass von 1949 bis 1992 eine Wahlpflicht bestand.

Der Einfluss der Medien

In Wahlkampfzeiten lässt sich beobachten, welche Strategien die einzelnen Parteien entwickeln, um die Meinung der Bevölkerung oder einzelner Bevölkerungsgruppen zu drängenden politischen Fragen in ihrem Sinne zu formen. Es werden unzählige Aktionen gestartet mit dem Ziel die eigenen Themen, durch Funk, Fernsehen, Plakate und sozialen Medien zu kommunizieren und so die WählerInnen für die Teilnahme der Wahl zu gewinnen. Diese Strategien auszubauen ist zwar sehr wichtig, aber eine politische Kampagne führt nicht unbedingt dazu, dass BürgerInnen motiviert sind, ihre Wählerstimme an der Wahlurne abzugeben. Denn wenn WählerInnen für eine Partei sind, aber nicht zur Wahl gehen kann diese Partei diese natürlich nicht gewinnen.

Wie können Menschen dazu motiviert werden, wählen zu gehen?

Basierend auf der Standardökonomie und einem Kosten-Nutzen-Abgleich würde ein Homo Oeconomicus seinen eigenen Einfluss als verschwindend gering und der Aufwand zur Wahlurne zu gehen als nicht lohnend einstufen. Diese Standardtheorien können jedoch nicht vorhersagen, ob eine Person wählen geht oder nicht. Im Folgenden stelle ich ein paar innovative und evidenzbasierte Techniken vor, welche zeigen wie Wählerinnen und Wähler effektiver für die Teilnahme an einer Wahl mobilisiert werden können.

  1. „Ich rufe dich nach der Wahl an…“
    Eine interessante Strategie um die Wahlbeteiligung zu erhöhen wurde bereits in den USA entwickelt und erprobt. In einer großangelegten Feldstudie wurden Briefe an amerikanische WählerInnen geschickt mit der Ankündigung einer Befragung zur anstehenden Wahl. Diese Ankündigung wirkte als Signal an die BürgerInnen: Jemand zeigte, dass er tatsächlich an dem eigenen Wahlverhalten interessiert ist. Dieser Brief erhöhte die Wahlbeteiligung substantiell (Rogers, Ternovski, Yoeli, 2015).

    Der Wirkkanal dieser Maßnahme ist nicht ganz eindeutig. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Menschen auf diesen Brief mit erhöhter Wahlbeteiligung reagiert haben, um der sozialen Norm des Wählens zu entsprechen und Scham zu vermeiden vor den Nachbarn schlecht dazustehen. Das jemand anderes oder vielleicht sogar die Nachbarn herausfinden könnte, dass man nicht wählen war, könnte beschämend sein. Mein Hinweis: Wie wäre es, wenn Sie am Abend vor der Wahl eine Rund-SMS oder Whats-App-Nachricht mit folgender Ankündigung verschicken: „Ich schreibe Dir morgen einmal eine SMS (oder vielleicht können wir uns sogar treffen?), und dann können wir uns über die (überfüllten) Wahllokale austauschen.“
  2.  „Alle anderen wählen auch!“
    Man könnte meinen, dass, wenn Medien von einer niedrigen Wahlbeteiligung berichten, die Menschen daraufhin in die Wahlkabinen strömen würden, da die eigene Stimme relativ gesehen mehr Einfluss hätte bzw. man sich mehr in die Pflicht genommen fühlt. Das genaue Gegenteil ist allerdings der Fall. Botschaften, die eine geringe Wahlbeteiligung kommunizieren, sind weniger effektiv, um WählerInnen zu motivieren, als Botschaften, die eine hohe Wahlbeteiligung ankündigen (Geber, & Rogers, 2009). Die Klage der Medien, der Politik sowie mein vorheriges Statement zu einer möglichen geringen Wahlbeteiligung in Österreich scheint somit eher kontraproduktiv für Mobilisierungsbemühungen zu sein.
    Verantwortlich für diesen Effekt sind sogenannte soziale Normen, also Erwartungen, welche eine Gesellschaft an das Verhalten von Individuen knüpft. Einfach gesagt: Wenn alle anderen etwas tun, dann will man nicht auffallen und tut das gleiche (s. dazu auch der Beitrag von Kerstin Grosch von zu viel Harmonie in Teams). Diese Taktik könnte natürlich auch außerhalb von sozialen Medien funktionieren. Wenn Sie also Ihre FreundInnen überreden möchten wählen zu gehen, dann erzählen Sie ihnen doch einfach, wer schon alles aus ihrem Freundeskreis wählen war bzw. wählen gehen wird.
  3. Anstatt ein „Like-Button“ ein „Ich-habe-gewählt-Button“
    Soziale Medien sollten natürlich auch in dieser Aufzählung nicht fehlen. Die Macht von Facebook Wahlen zu beeinflussen ist nicht erst seit dem Cambridge-Analytica-Skandal bei den Präsidentschaftswahlen in den USA bekannt. Eine Studie, wiederum aus den USA, zeigte Facebook-Nutzern einen „Ich habe abgestimmt“-Button neben einer Nachricht in ihrem Facebook-Feed. Diese Nachricht enthielt Informationen zum nächsten Wahllokal und welche ihrer Facebook-FreundeInnen bereits gewählt hatten. Für Facebook-NutzerInnen, die eine solche soziale Botschaft erhielten, war es wahrscheinlicher, dass sie wählen gingen als für Faceboook-NutzerInnen, denen nur eine rein informative Nachricht mit dem Inhalt „ Heute ist Wahltag“ angezeigt wurde (Bond, Fariss, Jones, Kramer, Marlow, Settle, & Fowler, 2012). Es könnte somit angenommen werden, dass, wenn Sie in einem Beitrag auf Facebook den Ort des Wahllokales in Ihrer Nähe verlinken würden, dies eine ähnlich positive Wirkung auf das Wahlverhalten haben könnte. Warum also nicht mal ausprobieren?
  4. “Wann gehst du denn wählen und wo genau?“
    In Bezug auf Wahlen könnte auch das klassische verhaltensökonomische Instrument der „Implementation Intentions“ genutzt werden. Hierbei geht es darum, dass Menschen, wenn sie konkrete Pläne schmieden und Ort und Zeit im Vorhinein festlegen, diese auch eher umsetzen. Bei WählerInnen, die telefonisch vor einer Wahl kontaktiert wurden und planten, wann und wo sie wählen gehen würden, stieg die Wahlbeteiligung um 4,1% (Nickerson & Rogers 2010). Warum also machen Sie nicht einen Wahlbrunch aus oder einfach nur eine Uhrzeit, wann und wo sie gemeinsam mit Ihren FreundInnen und Verwandten wählen gehen?

#WienWahl

Mit diesen Tipps an der Hand können wir alle einen Beitrag leisten die Demokratie in Österreich zu stärken. Ein einfacher Beitrag von Ihnen und Sie können die Wahlbeteiligung in Österreich in Ihrem Umfeld erhöhen. Im Moment werden Ihre Freunde und Familie wahrscheinlich mit E-Mails, Flyern, öffentlichen Appellen und Facebook-Beiträgen bombardiert. In Wahrheit aber ist vielleicht niemand so einflussreich wie Sie selbst!

Literatur

Bond, R. M., Fariss, C. J., Jones, J. J., Kramer, A. D., Marlow, C., Settle, J. E., & Fowler, J. H. (2012). A 61-million-person experiment in social influence and political mobilization. Nature, 489(7415), 295.

Gerber, A. S., & Rogers, T. (2009). Descriptive social norms and motivation to vote: Everybody’s voting and so should you. The Journal of Politics, 71(1), 178-191.

Nickerson, D. W., & Rogers, T. (2010). Do you have a voting plan? Implementation intentions, voter turnout, and organic plan making. Psychological Science, 21(2), 194-199.

Rogers, T., Ternovski, J., & Yoeli, E. (2016). Potential follow-up increases private contributions to public goods. Proceedings of the national academy of sciences, 113(19), 5218-5220.

Statista (2019): https://de.statista.com/statistik/daten/studie/288641/umfrage/wahlbeteiligung-an-den-nationalratswahlen-in-oesterreich/; abgerufen am 10.09.2019

Titelbild: Arnaud Jaegers (gefunden auf unsplash.com)