Von der Hauptschule ins Palais

Das IHS und seine Standorte

Autor: Andreas Huber

Die Suche nach einer geeigneten Unterkunft gerät nicht nur für Privatpersonen oft zu einem schwierigen Unterfangen. Räumlichkeiten zu finden, die den Ansprüchen in punkto Lage, Größe, Erreichbarkeit, Allgemeinzustand und etwa auch Gemeinschafts- und Erholungsräumen entsprechen, kann auch für wissenschaftliche Institute zu einer immensen Herausforderung werden. Im besten Fall soll ein Standort dann auch für einige Jahrzehnte genutzt werden, da ein Umzug teuer und nur in den seltensten Fällen leicht zu bewerkstelligen ist. Die Geschichte des IHS ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, welche Folgen die Wahl eines nicht ganz geeigneten Standorts haben kann.


Als das provisorische Kuratorium des IHS – mit u. a. OeNB-Präsident Reinhard Kamitz und Außenminister Bruno Kreisky – im Oktober 1962 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentraf, fanden sich die sieben Mitglieder in der Oesterreichischen Nationalbank ein. Denn: Räumlichkeiten hatte das Institut zu diesem Zeitpunkt noch nicht bezogen, ja die Kuratoriumsmitglieder wussten noch nicht einmal, wo das IHS nun seine Zelte aufschlagen würde. Als wahrscheinlichste Option tat sich das Gebäude in der Metternichgasse 12 im dritten Wiener Gemeindebezirk auf. Drei Monate später, anlässlich der konstituierenden Sitzung des Kuratoriums und dem offiziellen Beginn des Institutsbetriebes war die Idee aber schon wieder vom Tisch (einziehen sollte hier später die Filmakademie).

Stattdessen nahm das Kuratorium ein Angebot des Wiener Bürgermeisters Franz Jonas dankend an. Er stellte Räumlichkeiten einer ehemaligen Hauptschule in der Stumpergasse 56 in Wien-Mariahilf in Aussicht. Die Gemeinde Wien hatte das Grundstück Ende der 1870er-Jahre unter Bürgermeister Catejan Felder erworben und dort eine so genannte Doppelschule errichtet, also eine für Mädchen und eine für Knaben. Seit 1880 war dort gelehrt und gelernt worden. Ab 1964 wurde nun hier geforscht.

Bevor das IHS einziehen konnte, leitete die Stadt Wien auf Wunsch des Kuratoriums noch einen Umbau in die Wege, um mehr Platz zu schaffen. Vor allem der linke Flügel hatte sich – so der damalige Direktor Slavtscho Sagoroff – „als kleiner […] als ursprünglich angenommen“ erwiesen. Erst im Juni 1964 konnte endlich auch das Kuratorium im neuen Gebäude in der Stumpergasse zusammentreffen. So ist es auch nicht ganz verkehrt, das Studienjahr 1964/65 als Datum für den eigentlichen Beginn der Institutstätigkeit zu lesen.

Das IHS war gerade einmal sieben Jahre im Haus, als sich die vorhandenen Räumlichkeiten als definitiv zu klein erwiesen. Die „Raumnot“ und deren mögliche Behebung sollte sich in den folgenden Jahrzehnten wie ein roter Faden durch die Institutsgeschichte ziehen. Ab Beginn der 1970er-Jahre – damals unter Direktor Gernot Bruckmann – suchte die Institutsleitung händeringend nach einer Lösung. Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter waren etwa 1972 gezwungen auf den Gängen zu arbeiten.

Die gewünschten Lösungen – etwa der Ankauf des gegenüberliegenden Hauses (Stumpergasse 57) durch die Stadt Wien – entpuppten sich als unrealistisch. Ein Ziel war die „Schließung der Baulücke“, womit die Errichtung eines Vorbaus an der Straßenfront gemeint war. In den Jahren 1982 bis 1984 ließ sich dieses Vorhaben realisieren, hinzu kamen auch zwei Hörsäle im Erdgeschoß. Die Verhältnisse blieben aber weiterhin beengt. Spätestens mit dem Antritt von Bernhard Felderer als Direktor, mit dem ein massiver Personalzuwachs einherging, platzte das IHS aus allen Nähten. Zusätzliche Räumlichkeiten in der Schottenfeldgasse waren ein Tropfen auf dem heißen Stein, Schäden an der Bausubstanz in der Stumpergasse machten einen Umzug umso dringlicher.

Die Suche nach einem neuen Standort erstreckte sich über viele Jahre. Eine Lösung zeichnete sich ab, als das Simon Wiesenthal Institut nicht wie ursprünglich geplant das Gebäude des Finanzamts im achten Bezirk bezog, das ihm das Finanzministerium zur Verfügung gestellte hätte. Anfang 2012 – die Behörde residierte noch ebenda – wandte sich Felderer an die Bundesimmobiliengesellschaft und bekundete ernsthaftes Interesse des IHS. Die BIG wollte vorerst davon aber nichts wissen und versuchte das Gebäude zu veräußern. Vor den Plänen potenzieller Investoren – man hörte etwa von der Schaffung eines Luxushotels – tat sich allerdings eine unüberwindbare Hürde auf: der Denkmalschutz. Das nicht zu verkaufende Palais benötigte nun also doch wieder einen Mieter, das IHS – nunmehr unter Direktor Sigurd Höllinger – stand ante portas und übersiedelte Ende 2015 in die Josefstadt. Seitdem (und zumindest bis heute) sind die Platzprobleme des Instituts Geschichte.