Photovoltaik- und Windkraftausbau: Wer und wie viele werden gebraucht?

Auf dem Weg zur CO2-Neutralität zählen Erneuerbare Energien – allen voran Wind und Sonne – zu den großen Hoffnungsträgern. Auch Niederösterreich plant mithilfe eines ambitionierten Ausbaus von Photovoltaik und Windkraft seinen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Die Umsetzung des Ausbauplans bringt Chancen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt mit sich, stellt diese aber auch vor Herausforderungen.

Autor:innen: Kerstin Plank, Elisabeth Laa und Maria Köpping

Bis 2030 möchte Österreich den inländischen Strombedarf bilanziell zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen decken. Der Großteil der geplanten zusätzlichen 27 Terawattstunden (TWh) Strom aus erneuerbaren Energiequellen soll gemäß dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) durch Photovoltaik (PV; 11 TWh) und Windkraft (10 TWh) gedeckt werden.

Niederösterreich kommt als Bundesland mit einem großen Flächenpotenzial für PV und Windkraft eine wichtige Rolle zu. Bis 2030 möchte Niederösterreich die durch Windkraft produzierte Strommenge von 4.150 Gigawattstunden (GWh, Ende 2021) auf 8.000 GWh erhöhen. Die durch PV produzierte Strommenge soll 2022 bis 2030 von 663 GWh auf 3.000 GWh gesteigert werden.

Wenngleich auch in andere erneuerbare Energietechnologien wie Wasserkraft und Biomasse investiert werden soll, haben Windkraft und PV analog zu den bundesweiten Zielen den mit Abstand größten Anteil am geplanten Ausbau.

Schon heute sichern Produktion, Planung, Errichtung und Betrieb von PV- und Windkraftanlagen in Österreich entlang der Wertschöpfungsketten tausende Jobs im In- und Ausland.

Die Umsetzung des Ausbauplans sichert nicht nur bereits bestehende Arbeitsplätze in der Branche, sondern erfordert die Einbindung zusätzlicher Fachkräfte, nach denen in manchen Bereichen bereits jetzt – Stichwort Fachkräftemangel – händeringend gesucht wird.

Die Forschungsgruppen „Energie, Umwelt und nachhaltige Wirtschaftssysteme“ und „Bildungsforschung und Beschäftigung“ vom Institut für Höhere Studien (IHS) haben im Rahmen einer aktuellen Studie im Auftrag des AMS Niederösterreich die ökonomischen und arbeitsmarktbezogenen Potenziale und Herausforderungen des geplanten Ausbaus von PV und Windkraft in Niederösterreich untersucht. Dabei kamen sowohl qualitative als auch quantitative Forschungsmethoden zum Einsatz. Ein Auszug der Ergebnisse wird hier vorgestellt.

Wen braucht es?

Schon jetzt werden in einigen für die Planung und Errichtung von Windkraft- und PV-Anlagen relevanten Berufen bedeutende Engpässe verfügbarer Arbeitskräfte wahrgenommen. Der massive geplante Ausbau in Niederösterreich, aber auch im restlichen Österreich und dem Ausland, wird diesen Mangel aller Voraussicht nach weiter verstärken. Wen braucht es nun für diesen Ausbau?

Zentrale Bereiche für die unmittelbare Umsetzung des Ausbaus sind die Planung und Projektierung sowie die Errichtung und Installation der Anlagen.

Windkraftanlagen und PV-Großanlagen werden zu einem großen Anteil von Akademiker:innen mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss technischer Studienrichtungen geplant, die in spezialisierten Energie-Unternehmen arbeiten. Von diesen großen Konzernen gibt es in Niederösterreich nicht viele – es wandert also ein beträchtlicher Anteil an Beschäftigung und Wertschöpfung in andere Bundesländer und ins Ausland ab.

Kleinere PV-Anlagen, allen voran die klassischen Aufdachanlagen auf privaten Einfamilienhäusern, werden hingegen meist von Elektroinstallationsbetrieben geplant und installiert, die im Regelfall eine Vielzahl an elektrotechnischen Leistungen anbieten. Hier werden vorwiegend Techniker:innen mit Lehr- oder HTL-Abschluss Elektrotechnik eingesetzt, da es einer Befugnis zum Anschluss von PV-Anlagen bedarf.

Während Elektroinstallationsbetriebe oftmals sowohl die Planung als auch die Errichtung von kleineren PV-Anlagen übernehmen, wird die Errichtung von PV-Großanlagen oft an andere Firmen im In- und Ausland ausgelagert.

Ein Teil der Arbeitskräfte in der Errichtungsphase benötigt eine elektrotechnische Konzession, während eine zweite Gruppe an Arbeitskräften bei der Montage benötigt wird.

Anders als im PV-Bereich werden Windkraftanlagen zwar von inländischen Unternehmen geplant, die Errichtung und Installation jedoch von ausländischen Herstellerfirmen übernommen – in Österreich selbst werden keine Windkraftanlagen produziert. Diese Herstellerunternehmen übernehmen in der Regel zumindest in den ersten Jahren auch die Wartung der Windräder.

Bei den PV-Anlagen anfallende Service-Leistungen werden meist von den Elektroinstallateuer:innen der errichtenden Unternehmen erledigt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zu den zentralen PV- und windkraftrelevanten Berufen Projektierer:innen, technische Planer:innen, Elektroinstallateuer:innen und Monteur:innen zählen.  Bei den relevanten Ausbildungsschienen nimmt die Lehre eine tragende Rolle ein, da kleinere PV-Anlagen einen beachtlichen Anteil am gesamten Ausbau haben werden, aber auch HTLs sowie technische FH- und Universitätsstudien.

Hinzu kommen eine Vielzahl an weiteren Berufsgruppen, deren Unterstützung für den Ausbau ebenso notwendig ist. Dazu zählen Arbeitskräfte in Kommunikation, Marketing, Buchhaltung oder auch Rechtsabteilungen.

Neben den umsetzenden Unternehmen selbst bedarf es für den forcierten Ausbau von PV und Windkraft auch ausreichend Personal bei den abwickelnden Behörden. Zur rechtlichen und administrativen Abwicklung des Ausbaus der Erneuerbaren zählen unter anderem die Prüfung von angesuchten Förderungen und die Erstellung von Gutachten und Bewilligungen. Gerade in diesen Bereichen berichten Unternehmen vor allem bei der Windkraft oftmals von langen Wartezeiten, die Verzögerungen beim Fortschritt des Ausbaus zur Folge haben.

Was sollen potenzielle Arbeitskräfte mitbringen?

Eine Grundvoraussetzung für viele Windkraft- und PV-spezifische Jobs – die unterstützend tätigen Berufsgruppen sind hier ausgenommen – ist eine fundierte technische Grundausbildung, die in der Phase der Anlagenplanung und Projektierung ebenso wie für die Installation der PV-Anlagen erforderlich ist. Hier besteht aufgrund der starken Nachfrage ein großes Potenzial für technisch qualifizierte Berufseinsteiger:innen und branchenfremde Quereinsteiger:innen.

Das spezifische Know-how in der Photovoltaik und Windkraft kann entweder on-the-job in den ausführenden Unternehmen selbst oder im Rahmen externer Fortbildungen erworben werden. Dazu zählen auch Angebote rund um relevante Software-Skills, wie AutoCAD-Kurse und KNX-Programmierung. Für jene, die eine technische Ausbildung absolvieren (wollen), bietet das AMS ein Spektrum an Angeboten, wie das Programm „Frauen in Handwerk und Technik“ und die Facharbeiter:innen-Intensivausbildung, bei der in verkürzter Ausbildungszeit ein Lehrabschluss beispielsweise für Elektrotechnik erworben werden kann.

Daneben braucht es vor allem für die Montage von kleineren PV-Anlagen eine große Anzahl an Personen, die auch gewisse körperliche Voraussetzungen wie Schwindelfreiheit für die Arbeit auf den Dächern mitbringen.

Dieselbe Voraussetzung trifft auch auf die konzessionierten Elektrotechniker:innen zu, welche die Aufdachanlagen und die zugehörigen Wechselrichter anschließend installieren. Als (zukünftige) Monteur:innen, deren Tätigkeiten keine elektrotechnische Konzession voraussetzen, kommen viele berufliche Hintergründe und auch Quereinstiege aus anderen Branchen in Frage. Naheliegende berufliche Hintergründe umfassen unter anderem Dachdecker:innen, Maurer:innen und Schlosser:innen – wobei sich auch in diesen Berufen Mängel abzeichnen.

Beschäftigungseffekte in Niederösterreich (und darüber hinaus)

Wie viele Arbeitskräfte werden für den geplanten Ausbau benötigt? Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten.

Mithilfe einer multiregionalen Input-Output-Analyse hat sich das IHS dieser Frage genähert und die zu erwartenden ökonomischen Effekte des PV- und Windkraftausbaus in Niederösterreich 2022 bis 2031 beziffert.

Das Jahr 2031 wird nach Abschluss des Ausbaus 2030 als erstes Jahr mitgerechnet, in dem alle neuen Anlagen in Betrieb sind und entsprechend gewartet werden müssen. Mit dieser Methode werden die Verflechtungen entlang der gesamten Wertschöpfungsketten mitberücksichtigt und darüber hinaus jene Effekte, die dadurch entstehen, dass ein Teil der Einkommen der Beschäftigten wieder ausgegeben und ein Teil der Gewinne der Unternehmen reinvestiert werden.

Wenn der Ausbau wie seitens des Landes Niederösterreich geplant umgesetzt wird – so die Annahme – entstehen durch die zu tätigenden Investitionen und anschließend den Betrieb der neu errichteten PV- und Windkraftanlagen Effekte in Form von Wertschöpfung, Beschäftigung sowie Steuern und Abgaben.

Die Input-Output-Analyse kommt zum Ergebnis, dass durch die Investitionen in den PV-Ausbau und den Betrieb der neuen Anlagen etwa 5.600 vollzeitäquivalente Jahresarbeitsplätze (VZÄ) über die gesamte Periode neu geschaffen oder gesichert werden. Für den Windkraftausbau sind es im gleichen Zeitraum ca. 4.900 VZÄ.

Dabei muss bedacht werden, dass aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtungen ein bedeutender Anteil der Nachfrage ins restliche Österreich und ins Ausland abfließt. Im gesamten Österreich ergeben die Berechnungen beispielsweise rund 14.900 VZÄ für den niederösterreichischen PV-Ausbau und etwa 11.200 VZÄ für die Windkraft.

Auch die Unterscheidung „neu geschaffen“ oder „gesichert“ ist relevant, da die Methode keinen Aufschluss darüber gibt, ob das entstehende Arbeitsvolumen von bereits in der Branche beschäftigten Personen übernommen wird, oder ob neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ein genauerer Blick auf die Ebene der niederösterreichischen Viertel zeigt, dass ein Großteil der Beschäftigungseffekte für die PV sowohl für die Investitionen als auch den Betrieb im Most- und Industrieviertel zu erwarten sind. Bei der Windkraft verzeichnen das Wein- und Industrieviertel den Schätzungen der Input-Output-Analyse zufolge die größten Beschäftigungseffekte. Im Waldviertel sind die Effekte deutlich geringer.

Eine Aufschlüsselung der Beschäftigungseffekte der Investitionstätigkeiten in Niederösterreich nach Bildungsabschlüssen verdeutlicht die besondere Relevanz der Lehre, die sowohl bei der PV als auch bei der Windkraft den größten Anteil der Beschäftigten ausmacht.

Die Tortendiagramme spiegeln allerdings nicht nur die oben beschriebenen Berufsgruppen für Planung und Errichtung wider, da die Effekte der gesamten Wertschöpfungsketten miteinbezogen wurden. Das inkludiert unterstützende Tätigkeiten, aber auch Güter und Dienstleistungen der zuliefernden Unternehmen. Die Abbildungen zeigen zudem, dass der Anteil der höheren Bildungsabschlüsse bei der Windkraft etwas größer ausfällt als bei der PV.

Diese Berechnungen des IHS decken allerdings lediglich die Stromproduktion aus PV und Windkraft ab – für die Umsetzung der gesamten Energiewende braucht es weitere Fachkräfte, unter anderem im Bereich Wärme und für den vieldiskutierten Netzausbau. Es ist anzunehmen, dass auch für Themen wie Bewusstseinsbildung und Beratung hinsichtlich Energieeffizienz und Energiesparen ein Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften besteht.

Was braucht es?

Die Umsetzung des ambitionierten Ausbaus von PV und Windkraft – sowohl in Niederösterreich als auch in Gesamt-Österreich – erfordert eine intensive Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Bewusstseinsbildung und Beratungen zu den einschlägigen Ausbildungs-, Berufs- und Weiterbildungsmöglichkeiten sollten stärker forciert werden.

PV- und windkraftrelevante Jobs gelten als zukunftssicher, locken mit attraktiven Gehaltsaussichten und leisten einen wertvollen und essenziellen Beitrag zur Energiewende. Absolvent:innen technischer Ausbildungen (insbesondere Elektrotechnik) unterschiedlicher Qualifizierungsniveaus sind am Arbeitsmarkt aktuell sehr gefragt und finden sowohl im Bereich der Erneuerbaren Energien als auch darüber hinaus vielseitige Einsatzmöglichkeiten.

Aber auch Unternehmen sind in der Verantwortung und haben wichtige Hebel, etwa im Hinblick auf die Gehälter, Arbeitszeit und Gestaltung des Arbeitsumfeldes attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen wie auch zukünftige Fachkräfte auszubilden. Zudem sind eine starke regionale Vernetzung und breite Initiativen notwendig, um die Energiewende gemeinsam erfolgreich zu stemmen und die Chancen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt bestmöglich zu nutzen.


Beitrag ursprünglich erschienen auf kommunal.at