Hebammenbedarf in Österreich

AutorInnen: Monika Riedel, Gerald Röhrling, Thomas Czypionka

Derzeit gilt berechtigterweise vermehrte Aufmerksamkeit den Personen, die sich mit der Bewältigung der Covid-19-Pandemie beschäftigen. Aber das Leben geht auch weiter für all jene, die sich beruflich hauptsächlich anderen (Gesundheits-)Themen widmen. Daher wollen wir in diesem Beitrag die Aufmerksamkeit auf eine andere Personengruppe lenken, quasi von der Vermeidung des (zu frühen) Lebensendes hin zu einem guten Lebensbeginn: es geht um Hebammen in Österreich. Genauer gesagt um aktuelle und zukünftige Hebammenkapazitäten in der sogenannten Versorgungszone Ost (VZ Ost: Wien, Niederösterreich, Nord- und Mittelburgenland).


In Österreich arbeiteten im Jahr 2017 mit 26 Hebammen je 1.000 Lebendgeburten (VZ Ost: 25 im Jahr 2018) deutlich weniger Hebammen als im Durchschnitt der europäischen OECD Länder (35 Hebammen). Zudem hat bei im Krankenhaus arbeitenden Hebammen in der VZ Ost das Ausmaß der Teilzeittätigkeit in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Das ist praktisch ausschließlich auf die Entwicklung in Wien zurückzuführen: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit nahm dort von 35 Stunden (2009) auf 28 Stunden (2018) ab. Dies ging mit einer deutlich reduzierten Verweildauer im Zuge von Geburten im Spital einher ­­­– konkret um 0,7 Tage bei einem konstanten Anteil von 30 Prozent der Geburten per Kaiserschnitt (geplant plus ungeplant).

Junge Familien haben das Recht, nach frühzeitigem Verlassen des Spitals zu Hause die Unterstützung von Kassenhebammen in Anspruch nehmen. Aber freie Kapazitäten sind bei den stark ausgelasteten Hebammen schwer zu finden. Ein Umstand, der durch die oben beschriebene Entwicklung hin zu frühzeitiger Entlassung noch verschärft wurde.

Laut Geburtenprognosen werden in Wien die Geburtenzahlen weiter steigen, was für andere Gegenden Österreichs in weit geringerem Ausmaß, wenn überhaupt, erwartet wird. Somit wären zur Entlastung der Geburtsstationen in den Spitälern wie auch zur Unterstützung der jungen Familien zu Hause zusätzliche Hebammen wünschenswert. In einem IHS-Projekt haben wir daher berechnet, wie sich angesichts der bestehenden Ausbildungskapazitäten für Hebammen in der VZ Ost die Situation bis zum Jahr 2030 weiter entwickeln dürfte. Demnach kann unter Annahme des Hauptszenarios für Geburten der derzeitige Versorgungsgrad mit Hebammen nur dann gehalten werden, wenn die Teilzeitquote nicht weiter steigt. Sollte sie in abgeschwächtem Ausmaß zunehmen, wird sich die Versorgungsdichte verschlechtern – und zwar ausgehend vom derzeitigen Niveau, das bereits von einigen Betroffenen, Hebammen wie Jungfamilien, als „schwierig“ empfunden wird (FokusKind Medien: Hebammenumfrage 2019). Würde parallel zum bestehenden Hebammen-Ausbildungsprogramm in Wien jährlich ein zweiter Lehrgang im gleichen Umfang angeboten, könnte im günstigeren von mehreren gerechneten Szenarien die Versorgungsdichte in der VZ Ost zumindest auf jenes Niveau angehoben werden, das derzeit in Deutschland besteht. Aber auch dieses optimistische Szenario würde weder dem europäischen OECD-Schnitt entsprechen, noch die von der WHO empfohlene 1:1 Betreuung während der Geburt ermöglichen. Das Interesse junger Frauen am Beruf ist jedenfalls vorhanden – in Österreich bewerben sich in der Regel 10 Personen auf jeden einzelnen Platz in der Hebammenausbildung.

Abschätzungen des zukünftigen Bedarfes an Gesundheitspersonal sind wichtig, um über die Bereitstellung der notwendigen Ausbildungskapazitäten für die Aufrechterhaltung des Versorgungsniveaus sorgen zu können. Bei Hebammen ist dies bereits möglich, da in diesem Beruf schon seit längerem eine verbindliche Registrierung für die Berufsausübung notwendig ist, und somit verlässliche Zahlen über die im Beruf tätigen Personen vorliegen. In weiteren Gesundheitsberufen wurde erst durch die seit Mitte 2019 vorgeschriebene Registrierung die hierfür notwendige Datengrundlage geschaffen. Damit werden ähnliche Berechnungen als Entscheidungshilfe für die Gesundheitspolitik ermöglicht.

Abschätzung der zukünftigen Hebammenkapazität

Dieser Blog-Beitrag basiert auf dem Forschungsprojekt Abschätzung der zukünftigen Nachfrage und des zukünftigen Angebots an Hebammenkapazität- eine Gap-Analyse, das im Auftrag des Österreichischen Hebammengremiums (Landesgeschäftsstelle Wien) durchgeführt wurde.

Grafik: Praktizierende Hebammen EU