COVID-19: Wo liegen die Herausforderungen für Europa?

Wie kann man den Herausforderungen, der Pandemie in den kommenden Monaten und Jahren begegnen? Damit haben sich 34 führende Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen und 17 europäischen Ländern auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist eine gemeinsame Prognose (erschienen in der Fachzeitschrift The Lancet Regional Health Europe) und ein Appell zur europaweiten Solidarität.


In ihrem Artikel beleuchten die Wissenschafter:innen Zukunftsszenarien für die Zeiträume Sommer 2021, Herbst/Winter 2021–2022 sowie für die kommenden 3 bis 5 Jahre, basierend auf drei kritischen Fragestellungen zur Immunität durch Impfschutz, zur Auswirkung möglicher Virusmutationen und zur Bereitschaft der Bevölkerung, Vorsichtsmaßnahmen mitzutragen.

Zentrales Mittel zur Kontrolle der Pandemie sei der Impffortschritt in Europa. Nur dadurch könnten bei zu erwartenden lokalen und saisonalen Ausbrüchen hohe Sterblichkeit und Hospitalisierung verhindert werden. Allerdings bleibe die Infektion für Risikogruppen weiterhin gefährlich und auch Long-Covid, das etwa 10 % der Infizierten betrifft, stelle eine künftige Herausforderung dar. Die Autor:innen warnen davor, das Virus wie letztes Jahr zu unterschätzen: Jüngste Daten legen nahe, dass die Delta-Variante noch kontagiöser ist und schwerere Verläufe aufweist. Zudem scheint sie bei einem Teil der Menschen den Impfschutz zu durchbrechen. Sie erkranken zwar meist nicht schwer, was den Wert der Impfung unterstreicht, können jedoch das Virus an andere weitergeben.

„Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind. Und das bedeutet, dass wir die Reaktionen über die Grenzen hinweg koordinieren müssen. Ziel muss sein, dass alle Menschen Zugang zu Impfstoffen haben, egal wo sie leben“, bekräftigt Thomas Czypionka, Mitautor des Artikels und Leiter der Gesundheitsökonomie am Institut für Höhere Studien (IHS). „Denn die Alternative zur Impfung ist es, jedenfalls infiziert zu werden, mit allen möglichen Folgen. Die Durchimpfung gibt uns, wenn erfolgreich, die Gelegenheit, Herbst und Winter mit wenig Einschränkungen zu überstehen.“

Appell zu internationaler Solidarität und guter Kommunikation

Die Kernbotschaft der Expert:innen ist ein Aufruf zur Zusammenarbeit auf europäischer und globaler Ebene: „Wir fordern einen europaweit koordinierten Ansatz, der es ermöglicht, die Pandemie zu bekämpfen und sich von ihr zu erholen. Letztlich kann nur ein globaler One Health Ansatz die Pandemie besiegen“, unterstreicht Czypionka die Notwendigkeit eines ganzheitlichen und solidarischen Zugangs. „Ansonsten spielen wir weltweites Pandemie-Ping-Pong mit immer neuen Ausbrüchen und neuen Varianten.“

Der One Health Ansatz begegnet den Abhängigkeiten von Mensch, Tier und Umwelt mit interdisziplinären Perspektiven und ganzheitlichen Maßnahmen. Auch die Autor:innen decken unterschiedliche Aspekte ab und unterstreichen die Verantwortung der Politik: Deren Pflicht sei es, vertrauensbildend zu agieren und der Bevölkerung klar darzulegen, warum bestimmte Maßnahmen notwendig sind, auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen werden und welche Konsequenzen diese für die vielen verschiedenen Gruppen innerhalb der Gesellschaft haben. Denn nur, wenn die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie durch demokratisches Engagement erarbeitet werden, können unbequeme und unpopuläre Entscheidungen akzeptiert werden.

Hier geht es zur Publikation:

A look into the future of the COVID-19 pandemic in Europe: an expert consultation