Volkswirtschaftliche Effekte des Rauchens: Vermeidbare Kosten von jährlich 2,4 Milliarden Euro

Rauchen steht in ursächlichem Zusammenhang mit einer Vielzahl von Erkrankungen und verursacht daher erhebliche Kosten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gesundheitssystems. Das IHS führte im Auftrag der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK) eine Studie durch, um diese Kosten für Österreich abzuschätzen. Dabei wurde basierend auf einer umfassenden Datengrundlage ein innovatives Modell angewandt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Gesamtkosten des Rauchens jährlich auf rund 2,4 Mrd. Euro oder 0,7% des BIP belaufen.

Hintergrund

Der RaucherInnenanteil ist in Österreich deutlich höher als in anderen EU-Ländern. In der Gesundheitsbefragung 2014 der Statistik Austria gaben 24% der Befragten an, täglich zu rauchen. Im EU-Schnitt beträgt dieser Anteil laut Eurostat nur etwa 18%. Dementsprechend sind in Österreich auch überdurchschnittlich viele Personen regelmäßig Passivrauch ausgesetzt.

Die wissenschaftliche Evidenz zum kausalen Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und diversen Erkrankungen ist umfangreich und nimmt stetig zu. Neben Erkrankungen wie Lungenkrebs, COPD oder Herzkrankheiten, deren Assoziation mit dem Rauchen seit Langem bekannt ist, konnte die Evidenz in den vergangenen Jahren bspw. auf Erkrankungen wie Diabetes ausgeweitet werden. Ebenso stieg in den letzten Jahren die empirische Evidenz bzgl. der gesundheitlichen Folgen des Passivrauchens. Die durch Rauchen bedingten Erkrankungen verursachen in weiterer Folge erhebliche medizinische Behandlungskosten, aber auch erhöhte Ausgaben für Sozialleistungen sowie Produktivitätsausfälle der Erwerbstätigen.

Bereits im Jahr 2008 führte das IHS eine Studie zur Abschätzung dieser Kosten durch und bezifferte sie mit rund 1,6 Milliarden Euro. Angesichts der erweiterten Evidenzbasis zu den gesundheitlichen Risiken des Rauchens wurde nun im Auftrag der NÖGKK ein Update dieser Studie durchgeführt. Dazu wurde ein innovatives Lebenszyklusmodell herangezogen, welches im Gegensatz zu einer Querschnittsbetrachtung auch die Berücksichtigung von erhöhter Sterblichkeit über die Zeit ermöglicht. Im Rahmen des Modells werden die realen Aufwendungen im Status quo mit den hypothetischen Aufwendungen einer rauchfreien Gesellschaft verglichen. Als Datenquellen dienten u.a. epidemiologische Studien zu den gesundheitlichen Risiken des Rauchens, diverse administrative Daten (z.B. Sozialversicherung, Ministerien, Statistik Austria), die Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes in Deutschland sowie die österreichische Gesundheitsbefragung. Das Basisjahr der Analyse ist das Jahr 2016.

Effekte des Rauchens

Laut den Berechnungen des IHS sind jährlich rund 12.840 Todesfälle ursächlich auf das Rauchen zurückzuführen – das entspricht 16% der insgesamt Verstorbenen im Jahr 2016 oder einer/einem Toten alle 41 Minuten. Etwa 230 dieser Todesfälle sind dabei auf das Passivrauchen zurückzuführen. Gegenüber Personen, die niemals täglich aktiv oder regelmäßig passiv rauchten, reduziert sich die Lebenserwartung von männlichen bzw. weiblichen AktivraucherInnen im Schnitt um 7,5 bzw. 6,3 Jahre, jene von regelmäßigen PassivraucherInnen um rund 7 Monate.

Die medizinischen Kosten des Rauchens belaufen sich nach dem Lebenszyklusmodell des IHS auf jährlich 630,5 Mio. Euro oder 2,2% der laufenden Gesundheitsausgaben im Jahr 2016. Die auf Rauchen zurückzuführenden Ausgaben für Pflege, Krankengelder und Invaliditätspensionen, welche unter dem Begriff der nicht-medizinischen Kosten zusammengefasst werden, betragen jährlich 197,5 Mio. Euro. Produktivitätsausfälle, die sich durch häufigere Krankenstände, Invalidität und vorzeitige Sterblichkeit von Erwerbstätigen ergeben, werden als ökonomische Kosten bezeichnet. Diese schätzt das IHS auf Basis des Lebenszyklusmodells auf jährlich 1,49 Mrd. Euro oder 0,42% des BIP im Jahr 2016.

Zusätzlich zu den genannten Kostenfaktoren führt die Studie eine monetäre Bewertung der unfreiwilligen Verkürzung der Lebenserwartung von PassivraucherInnen durch. Demnach müssten AktivraucherInnen Kompensationszahlungen von 91,1 Mio. Euro an PassivraucherInnen leisten, um diese für die entgangene Lebenszeit zu entschädigen.

Insgesamt schätzt das IHS die vermeidbaren Kosten des Rauchens in Österreich somit auf jährlich 2,41 Mrd. Euro. Dies entspricht 0,68% des BIP im Jahr 2016. 118,8 Mio. Euro sind dabei durch Passivrauchen verursacht. Da diverse Kostenaspekte mangels entsprechender Daten nicht quantifiziert werden konnten (z.B. Arbeits- und Verkehrsunfälle, Sachbrände, Rauchpausen während der Arbeitszeit, unbezahlte Pflegeleistungen von Angehörigen), stellen die berechneten Effekte eine Unterschätzung der wahren Kosten des Rauchens dar.

Diesen Kosten stehen Tabaksteuereinnahmen von EUR 1,83 Mrd. im Jahr 2016 gegenüber, welche übersetzt ins Lebenszyklusmodell einem jährlichen Wert von EUR 1,48 Mrd. entsprechen.

Eine Simulation, welche ergänzend zur Kostenanalyse durchgeführt wurde, lässt darauf schließen, dass die Kosten des Rauchens durch eine Senkung der Rauchprävalenzen auf das Niveau von Ländern mit effektiverer Anti-Tabak-Politik deutlich reduziert werden könnten.

Fazit

Die Analyse des IHS zeigt, dass Tabakkonsum erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursacht – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gesundheitssystems. Während die Kosten des Passivrauchens im Vergleich zu den Gesamtkosten relativ gering ausfallen, wiegen diese aus gesellschaftspolitischer Sicht jedoch besonders schwer, da PassivraucherInnen dem gesundheitlichen Risiko unfreiwillig ausgesetzt sind.

Österreich hinkt in Hinblick auf die jüngste Rücknahme der gesetzlichen Bestimmungen zur rauchfreien Gastronomie bei der Umsetzung des NichtraucherInnenschutzes hinterher. Dieser Umstand äußert sich beispielsweise auch darin, dass Österreich in der regelmäßig veröffentlichten Tobacco Control Scale, welche die Performance europäischer Länder bzgl. Anti-Tabak-Politik und NichtraucherInnenschutz misst, den unrühmlichen letzten Platz einnimmt. Um zum europäischen Standard aufzuschließen und in der Folge die Rauchprävalenz und damit die volkswirtschaftlichen Kosten des Rauchens zu senken, müssten effektive politische Maßnahmen wie z.B. Rauchverbote an öffentlichen Orten und Preiserhöhungen umgesetzt werden.

Rückfragen:

Dr. Thomas Czypionka
Institut für Höhere Studien
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