Hochschulische Lehrgänge

Wer studiert und warum?

Autorin: Vlasta Zucha

Dieser Blog-Beitrag widmet sich der Frage, wer an österreichischen Hochschulen aus welchen Gründen ein Weiterbildungsstudium beginnt. Datenbasis ist eine Zusatzerhebung zur Studierenden-Sozialerhebung im Sommersemester 2019.


 

Die hochschulische Weiterbildungslandschaft ist in Österreich in den letzten Jahren stark gewachsen, vor allem im Fachhochschulbereich und bei Privatuniversitäten (vgl. Kulhanek et al. 2019: 27f). Im Sommersemester 2019 wurde eine Zusatzerhebung zur Studierenden-Sozialerhebung durchgeführt, um erstmals auch die Studien- und Lebensbedingungen der Lehrgangsteilnehmer:innen näher beleuchten zu können. Konkret wurden Teilnehmer:innen an hochschulischen Lehrgängen mit mindestens 30 ECTS an öffentlichen Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Privatuniversitäten befragt.[1]

Warum ein Hochschullehrgang?

Bevor sich Hochschulabsolvent:innen oder Berufstätige für ein konkretes akademisches Weiterbildungsangebot entscheiden, geht dem ein Informations- und Abwägungsprozess voran. Neben dem fachlichen Interesse und der persönlichen Weiterentwicklung ist die Studienorganisation (berufsbegleitend, modular, Fernlehreelemente) ein wichtiges Entscheidungskriterium einen Hochschullehrgang zu beginnen. Vier von fünf Weiterbildungsstudierenden geben an, dass für ihre Entscheidung die Art der Studienorganisation eine Rolle gespielt hat.

Knapp ein Fünftel wählte das Angebot auch, weil der Zugang ohne Matura bzw. Studienabschluss möglich war. Ein knappes Zehntel sieht das Weiterbildungsstudium als Vorbereitung auf ein ordentliches Studium.

 

 

Studienmotive: „Wie sehr haben die folgenden Aspekte bei der Entscheidung für Ihren Lehrgang eine Rolle gespielt?“ (nur Bildungsinländer:innen)

Anmerkung: Ohne Studierende, die im Sommersemester 2019 auch ein ordentliches Studium belegen; ohne Studierende in zahnmedizinischen Weiterbildungsstudien.
Bildungsinländer:innen: Als Bildungsinländer:innen gelten jene Weiterbildungsstudierende, die das reguläre Schulsystem in Österreich abgeschlossen haben.
Quelle: Studierenden-Sozialerhebung 2019.

Breiter Zugang zu hochschulischer Weiterbildung

Zum Erhebungszeitpunkt im Sommersemester 2019 konnten die Hochschulen die Zulassungskriterien selbst festlegen (vgl. Kulhanek et al. 2019: 33ff). Die Befragung der Weiterbildungsstudierenden ergab, dass etwas mehr als die Hälfte der Lehrgangsteilnehmer:innen bereits ein ordentliches Studiums abgeschlossen hat. Ein weiteres Drittel hat eine Matura im regulären Schulsystem oder einen äquivalenten Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg absolviert. 12% der Lehrgangsteilnehmer:innen haben weder Studium noch Matura. Diese Gruppe hatte für den Zugang zum Lehrgang Berufserfahrung vorzuweisen (7%), eine Ausbildung im Gesundheitsbereich (4%), andere oder gar keine Nachweise (1%) zu erbringen. Insgesamt hatten 39% der Weiterbildungsstudierenden an öffentlichen Universitäten und 46% an Privatuniversitäten keinen Studienabschluss. Somit war das Weiterbildungsangebot an Hochschulen nicht nur für Hochschulabsolvent:innen, sondern auch für Personen mit anderen Bildungs- und Berufskarrieren zugänglich. 

Die stärkere soziale Durchmischung akademischer Weiterbildungsangebote spiegelt sich auch in sozialen Herkunftsmerkmalen wider.[2] Lehrgangsteilnehmer:innen (nur Bildungsinländer:innen) haben häufiger als ordentliche Studierende Eltern, die keine Matura aufweisen (55% vs. 39%). Etwas mehr als ein Fünftel der Lehrgangsteilnehmer:innen hat Eltern mit akademischem Abschluss, unter ordentlichen Studierenden liegt der Anteil bei etwa einem Drittel. Die Unterschiede beim Bildungshintergrund der Eltern zwischen ordentlichen Studierenden und Lehrgangsteilnehmer:innen sind zum Teil auf die Alterskohorten zurückzuführen. Doch selbst beim Vergleich der unter 30-Jährigen haben Lehrgangsteilnehmer:innen häufiger Eltern, die keine Matura aufweisen.

Änderungen im Bereich der hochschulischen Weiterbildung durch Reformpaket zu erwarten

Während zum Erhebungszeitpunkt im Sommersemester 2019 die Hochschulen die Zulassungskriterien zu Weiterbildungslehrgängen noch selbst festlegen konnten, wurde dies mit 1. Oktober 2021 für Lehrgänge, die mit einem akademischen Grad abschließen, geändert und die möglichen zu vergebenden Titel eingeschränkt. Gleichzeitig wurden mit dem Bachelor Professional (BPr.) und Master Professional (MPr.) zwei neue Grade eingeführt, die von Hochschulen in Kooperation mit außerhochschulischen Bildungseinrichtungen angeboten werden (vgl. BMBWF 2022a, 2022b).[3]

Welche Auswirkungen diese Änderungen auf das Angebot der Hochschulen im Bereich der Weiterbildung, die Perspektive des lebenslangen Lernens und nicht zuletzt auch die soziale Zusammensetzung der Weiterbildungsstudierenden haben wird, bleibt abzuwarten.  

 


[1] Nicht enthalten sind Studierende, die zeitgleich ein ordentliches Studium belegten, Bildungsausländer:innen aus EU-Drittstaaten und Teilnehmer:innen zahnärztlicher Weiterbildungsangebote.

[2] An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Weiterbildungslehrgänge in der Regel (voll) kostenpflichtig sind, während für ein Regelstudium an öffentlichen Einrichtungen Inländer:innen und EU-Bürger:innen einen Studienbeitrag von höchstens 363€/Semester zu leisten haben.

[3] BMBWF (2022a): Lehrgänge. Abrufbar unter: https://www.bmbwf.gv.at/Themen/HS-Uni/Studium/Lehrg%C3%A4nge.html [Stand 26.7.2022]; BMBWF (2022b): Reformpaket der hochschulischen Weiterbildung. Abrufbar unter: https://www.bmbwf.gv.at/Themen/HS-Uni/Studium/Lehrg%C3%A4nge/Reformpaket_Weiterbildung.html [Stand 26.7.2022]

 

Weitere Informationen unter

Zucha, Vlasta, David Binder, Anna Dibiasi und Sarah Zaussinger (2020): Zur Situation von Studierenden in hochschulischen Lehrgängen. Zusatzbericht der Studierenden-Sozialerhebung 2019. [Research Report] 125 p. https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/6235/

Kulhanek, Andrea, David Binder, Martin Unger und Anna Schwarz (2019): Stand und Entwicklung wissenschaftlicher Weiterbildung in Österreich. [Research Report] 134 p. https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/5266